Filmkritik: HIERRO – Insel der Angst

Hierro - Insel der Angst Header

Hierro – Insel der Angst ist ein spanischer, offiziell, Mystery-Thriller (dazu später mehr) aus dem Jahre 2009, entstanden unter der Regie von Gabe Ibáñez und mit Elena Anaya in der Hauptrolle.

Einleitende Worte oder Warum gerade dieser Film

„Von den Machern von ‚Pan’s Labyrinth‘ und ‚Das Waisenhaus’“ lautet die scheinbar unmissverständliche Werbebotschaft des DVD-Covers. Allerdings hat mittlerweile die Aussagekraft solcher Eyecatcher stark gelitten, allzu oft stellen bekannte Produzenten freigiebig ihren Namen zu Verfügung, damit die Reklame-Trommel lauter poltert (Bestes Beispiel Quentin Tarantino, nicht überall wo der Name draufsteht, ist auch wirklich viel von ihm ins Produkt selbst integriert). Ich persönlich habe den Hinweis folglich schlichtweg ignoriert und mich an Cover und Klappentext gehalten: Ersteres lässt mich mit der vermittelten sehr düsteren Grundstimmung latent an Filme wie „Ring“, „The Dark“ oder „Dark Waters“ denken, die appetitmachende Summery der Rückseite wiederum erinnert leicht an Jodie Fosters „Flight Plan“. Das, zusammen mit dem deutschen Zusatz „Insel der Angst“ schürt die Hoffnung, mal wieder einen richtig gruseligen Mystik-Thriller vor sich zu haben, für den es sich eventuell lohnt, 90 Minuten der eigenen Lebenszeit zu investieren. Man wird sehen…

Klappentext

Die alleinerziehende Mutter Maria reist mit ihrem Sohn Diego zu der Kanareninsel El Hierro. Während der Schiffspassage verliert sie den Jungen kurz aus den Augen, und plötzlich ist er nicht mehr aufzufinden. In Panik durchsucht sie das Schiff, aber ohne jeden Erfolg. Auch die Polizei auf der Insel kann ihr nicht helfen – Diego bleibt verschwunden.

Gebrochen und verzweifelt kehrt Maria zurück. An ein normales Leben ist nicht mehr zu denken – bis sich die Polizei von El Hierro bei ihr meldet: Ein Junge in Diegos Alter wurde tot aufgefunden. Noch einmal geht Maria auf die Reise nach El Hierro – und wird dort in einen Strudel alptraumhafter Ereignisse gezogen.

DVD-Daten

Sprachen/Ton: Deutsch Dolby Digital 5.1
Englisch Dolby Digital
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 16:9 – 1.77:1
Laufzeit: ca. 88 Minuten
FSK: 16
Studio: Universal
Produktionsjahr: 2009
Extras: Neben dem animierten Menü (das auf meinem PC übrigens nur bedingt funktioniert, auf dem DVD-Player aber ohne Probleme) gibt es einzig und allein 2 Trailer auf der Haben-Seite zu verbuchen (vom Film selbst und von „Circle of Pain“), was alles in allem ein finales NICHTS darstellt.

Cast & Charaktere (Auswahl)

Elena Anaya ist einziges in Deutschland bekanntes Gesicht des Films und könnte so manch einem aus ihrer kleinen Rolle als Vampirdame in „Van Helsing“ (2004, Regie: Stephen Sommers) ein Begriff sein. Hier agiert sie als Protagonistin María, Mutter des verschwundenen 5-jährigen Diego. Bea Segura spielt Laura, Marias Schwester und
Miriam Correa verkörpert Julia, Mutter eines ebenfalls auf El Hierro vermissten Kindes.

Regie führt der hierzulande weitestgehend unbekannte Gabe Ibáñez.
Die Musik des Filmes stammt aus der Feder von Zacarías M. de la Riva.

Inhalt (ohne Ende)

Endlich Urlaub – Für die berufstätige (es wird nicht explizit erwähnt was genau so macht, aber so etwas wie Meeresbiologin müsste es sein, jedenfalls – wichtig! – etwas mit Wasser) Maria bedeutet das, endlich mehr Zeit mit ihrem 5-jährigen Sohn Diego verbringen zu können, welcher sonst überwiegend bei ihrer aktuell hochschwangeren Schwester Laura untergebracht ist.

Die beiden beginnen ihre Reise nach El Hierro ( El Hierro gehört zur Kanarischen Inselgruppe und ist von den sieben Hauptinseln sowohl die westlichste, als auch die kleinste) und bedürfen dafür einer Fähre, die sie auf das Eiland übersetzt. Nachdem die beiden, die ein sehr inniges Verhältnis verbindet, sich während der Fahrt eine Weile an Deck das Meer und die Wellen zu Gemüte geführt haben, beschließt Maria, sich etwas auszuruhen währenddessen der kleine Diego die schiffseigene Spielecke in Beschlag nimmt. Mama, erschöpft von den arbeitsreichen Wochen zuvor, nickt ein und muss nach dem Aufwachsen entsetzt feststellen, dass ihr kleiner Knirps nicht mehr aufzufinden ist. Niemand scheint ihn gesehen zu haben und auch eine eingehende Durchsuchung der Fähre mit Hilfe des Personals endet ohne Erfolg.

An Urlaub ist, auf El Hierro angekommen, nun nicht mehr zu denken und Maria versucht zusammen mit der örtlichen Polizei eine Spur ihres Sohnes zu finden. Doch mehr als eine inselweite Vermisstenmeldung haben die Gesetzeshüter als Unterstützung für die schicksalsgebeutelte Mutter nicht zu bieten – Diego bleibt bis zu Marias Abreise verschwunden, Lebenszeichen gibt es schlichtweg nicht.

Zu Hause versucht die Verzweifelte so gut wie möglich ihren Alltag zu bewerkstelligen, dies allerdings wenig erfolgreich. In ihrem Beruf kann sie zunächst keinen Fuß mehr fassen – zu groß ist die Überwindung ins Wasser zu gehen (schließlich besteht die Möglichkeit, Diego sei im Meer ertrunken), und besonders schwer ist es für sie außerdem, Laura mit ihrem neugeborenen Sohn zu beobachten. Von Alpträumen geplagt, versiegt nach und nach jedes Fünkchen Hoffnung in Maria, dass sie ihren Sohn jemals wiedersieht.

Viele, viele Wochen nach Diegos Verschwinden erhält Maria völlig unerwartet einen Anruf der Polizei von El Hierro, welche sie bittet, vor Ort eine gefundene Kinderleiche zu identifizieren. Laura begleitet ihre Schwester auf dem schweren Gang, Maria stellt jedoch in der Gerichtsmedizin der Insel fest, dass der gefundene Junge nicht ihr Sohn ist. Um Gewissheit dahingehend zu haben und behördlichen Papierkram zu vervollständigen, wird Maria gebeten, das Wochenende auf El Hierro zu verbringen, um am folgenden Montag die abschließende DNA-Analyse einleiten zu können.

Die beiden Frauen verbringen also einige Tage auf der Insel. Es häufen sich die ersten kleineren Mysteriösitäten und manchmal gelingt es Maria nicht, Realität von Einbildung unterscheiden zu können. Als Laura zur Abreise gezwungen wird, da ihr kleiner Säugling fiebrig das Bett hüten muss, beginnt Maria auf eigene Faust Hinweise auf ihren Sohn zu finden, von dem sie glaubt ihn an einem entlegenen Strandfleck gesehen zu haben. Als sie bei ihrer Suche auf eine weitere Mutter eines vermissten Kindes stößt, die ebenfalls davon überzeugt ist, dass ihr Sohn Mateo noch irgendwo, vermutlich in Gefangenschaft, lebt, gibt es für Maria nur eine einzige mögliche Schlussfolgerung: Diego ist am Leben, und sie wird ihn finden.

Auf ihrer verbissenen Suche stößt sie nicht nur auf freundlich gesonnene Helfer, vielmehr scheint der ein oder andere auf der Insel etwas zu verbergen. Schließlich glaubt Maria die erhoffte heiße Spur entdeckt zu haben und setzt auf der Suche nach ihrem Sohn ihr eigenes Leben aufs Spiel…

Meinung

Story

Die Idee hinter „Hierro“ ist sicherlich keine neue, das beweisen schon die spontanen Assoziationen mit Filmen wie „Flightplan“. Jedoch sind, so traurig es im Grunde eigentlich sein müsste, so verständlich ist es auch, vermisste Kinder und suchende, verzweifelte Eltern im Normalfall immer für eine faszinierende Schnitzeljagd gut, an deren Ende sowohl Friede, Freude, Eierkuchen als auch Trauer und Schmerz für spannende Unterhaltung sorgen können. Setzt man die altbackene, aber effektive, Idee also stimmig um, kann am Ende der Arbeit ein guter Film herauskommen.

Und so ist es bei „Hierro“ – die Story ist nachvollziehbar, und das in jeder Sekunde, liefert für alle Reaktionen und Wendungen schlüssige Erklärungen und begeistert mit einem zufriedenstellenden Abschluss, bei welchem endlich das ernüchternde „Hä – Was soll das denn jetzt, hast du das verstanden?“ völlig ausbleibt. Was jedoch nicht heißen soll, es gäbe bei dem spanischen Streifen keine unerwarteten Richtungswechsel. Doch, die gibt es, und die Tatsache, dass diese allesamt logisch nachvollziehbar sind, bereitet bei der aktuellen Filmemacherunart, das Publikum schlichtweg ahnungslos in der Luft hängen zu lassen, richtiggehend Freude. Manchmal (ok, sagen wir eigentlich fast immer) habe ich nämlich wirklich keinerlei Motivation, mir das Ende eines Streifens zusammenreimen zu müssen und möchte schlicht und ergreifend bequem von vorne bis hinten bedient werden. Ein großes Plus von „Hierro“, definitiv.

Genreeinordnung / Spannungskurve

Die Problematik der Genreeinordnung ist mir schon lange aus meiner Tätigkeit als Reviewerin im Heavy Metal-Bereich geläufig. Die Plattenfirmen nehmen entweder eine übergeordnete Stilrichtung um ihr Produkt zu kategorisieren oder aber verbinden einfach mehrere geläufige Bezeichnungen miteinander und haben am Ende a-b-c-d-Metal. Die neueste Unart ist das Erfinden ganz neuer Schubladen-Namen, um den Rezensenten final zu irritieren. Eines haben alle drei Vorgehensweisen gemeinsam: Die Chance, dass die richtige Musik im zuständigen Player landet, gleicht einem Lotteriespiel und manchmal ist alles, was einem adhoc als Rezipient einfällt ein Fragezeichen. Beim Medium Film geht es mehr und mehr in eine ähnliche Richtung, reißerische Werbebotschaften halten seltenst, was sie versprechen und manchmal denkt man sich, man müsse wohl versehentlich bei der Filmsuche in der falschen Kategorie gestöbert haben, anders sei das gerade Gesehene nicht zu erklären.

Warum ich das Ganze hier so ausführlich thematisiere? „Hierro“ wirft diese Problematik ganz ohne Zweifel auf. Egal was man vorschiebt, ob „Psycho-„, „Mystery-“ oder wahlweise auch ganz ohne Präfix, als Thriller wird der spanische Film in der Regel überall deklariert. Und da liegt schon des Pudels Kern begraben. Während mysteriös auch eine Produktion sein kann, die am Ende schlüssig auflöst, zumindest meiner Meinung nach, ist das eigentliche Thriller-Genre schon ein Grundkonzept, welches auf gewissen, immergleichen Voraussetzungen beruht. So wird der DVD-Interessent, auf dessen Wunschliste gerade ein Thriller steht, diesen in der Regel mit einem spannungsreichen Handlungsbogen verknüpfen. Und ich fürchte, dass wenn man derart an seiner Grunderwartung festhält, sich mit „Hierro“, besonders in Verbindung mit dem stupiden, deutschen Untertitel, Enttäuschung einstellen könnte. Denn ob man nun etwas in Richtung „The Dark“ (2005, Regie: John Fawcett, Mystery-Horror) oder aber „Flightplan“ (2005, Regie: Robert Schwentke, Thriller) erwartet, nichts von alledem passt so wirklich zu der spanischen Veröffentlichung. Gewiss, zu behaupten, ich hätte mich gelangweilt, wäre dreist gelogen – zu interessant ist die Frage danach, was mit Diego geschah – aber unterhalten kann einen vieles, es muss nicht zwangsläufig die Synapsen durchschauernd sein. Und spannend, oder gar die Nerven kitzelnd, um ganz nahe am Genre zu bleiben, ist „Hierro“ nicht wirklich.

Sicher, auch „Hierro“ bietet gewisse Spannungsmomente, ist aber alles in allem ein sehr ruhiger und besonnener Film, der mit seiner gleichsam behäbigen Erzählstruktur grundsätzlich eher für Dramatik anstelle von blank liegenden Nerven sorgt. „Insel der Angst“ muss dahingehend gedeutet werden, dass die verzweifelte Maria gegen die Möglichkeit des finalen Verlusts ankämpft, gegen Dämonen, denen eine liebende und am Ende ihrer Kräfte stehende Mutter zwangsläufig begegnen wird.

Wenn man sich also von vorneherein klar macht, dass die alptraumhaften Ereignisse weder zahnspangenaffine Poltergeister, noch von Verschwörungen heimgesuchte Supermamas thematisieren, sondern einfach nur das reale Grauen einer verzweifelten Mutter widerspiegeln, die zusehends nicht nur gegen reale, sondern mehr und mehr auch gegen Dämonen ihrer Vorstellungskraft ankämpfen muss, dann kann man „Hierro“ durchaus auch als spannenden, wenn auch wie erwähnt sehr langsamen und leisen, Film erleben.

Charaktere/Schauspieler

Identifikationsfigur kann im Grunde hier ausschließlich Maria sein. Der Film ist allgemein arm an Dialogen, weshalb es den Nebendarstellern schwerfällt, ihrem Charakter mehr Sinn beizumessen, als nur notwendiges Beiwerk zu sein. Die wenigen gesprochenen Worte sind nicht weiter schlimm, fügen sie sich zum einen in die bereits geschilderte Erzählstruktur ein und manifestieren diese, zum anderen wäre es ohnehin überflüssig, allzu viel zu reden. Die Ausgangssituation ist klar, und oft sagen Blicke mehr als tausend Worte.

Vermutlich würde ich Elena Anaya die Rolle der hilflosen und gebrochenen Mutter in einem Stand-Alone-Drama mit großem Schauspielkino nicht abnehmen. In diesem Film jedoch erfüllt sie ihren Zweck und macht die in ihr brodelnde Verzweiflung, die Angst, versagt zu haben sowie den Funken Hoffnung, der immer wieder neu entflammt, spürbar und nachempfindbar. Sehr viel davon geschieht hier über die Mimik, und da kann man ihr nicht wirklich großartige Vorwürfe machen.

Die beiden vermissten Jungen haben zwar im Grunde noch weniger zu sagen als die Großen, jedoch wirken traurige wie fröhliche Blicke echt und ungekünstelt, weshalb man abschließend von einer gelungenen Darbietung des Casts sprechen kann, der die Möglichkeiten der vom Drehbuch vorgezeichneten Charaktere weitestgehend ausschöpft.

Optik

El Hierro, welches wirklich als Drehort diente, scheint eine spannende Insel zu sein. Sie versprüht einen rauen Charme, geprägt von öden Felsen, welche zusammen mit den unberührten Stränden und den sich brechenden Wellen faszinierender Weise ablehnend und einladend zugleich wirken. Die Wasserthematik spielt bei „Hierro“ eine immens übergeordnete Rolle – weshalb derart stark, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar, jedoch auch nicht unbedingt störend. Die Bilder sind entsprechend kühl und leicht blau- und graustichig, weswegen selbst ein Sommertag auf der Ferieninsel eher trist anbiedert. Allzu oft betrachtet der Zuschauer Wellen und Himmel, auf jene wurde mit besonders großer Freude das Kameraaugenmerk gelegt. Durchaus schön anzusehen, doch nehmen auch diese, teils sehr lang anmutende, Einstellungen zusehends das Tempo aus der Erzählung. Manchmal wirkt es, leider, als wäre es den Machern an dieser Stelle wichtiger gewesen, faszinierende Bilder zu zeigen anstatt den Plot voranzutreiben. Nichts desto trotz machen die Naturaufnahmen einiges her und prägen wiederum auf ihre Weise die düstere Verzweiflung, die als roter Faden allgegenwärtiges Gefühl zu sein scheint.

Musik

Ein Schelm, wer denkt, hier würde jetzt die Post abgehen. Leise Töne untermalen triste Bilder und dunkle Ahnungen, und das auf absolut stimmige Weise. Gemessen an den wenigen tatsächlichen Spannungsmomenten des Filmes verspricht die Musik im Grunde mehr als die Bilder und Handlung im Endeffekt halten. Größtenteils ist es ein Klavier, welches vorwiegend piano, wenn von Nöten crescendo, durch die Ereignisse führt. Auch das restliche musikalische Beiwerk ist im klassischen Bereich anzusiedeln und erfüllt voll und ganz seinen Zweck.

Fazit

Ich mochte den Film, definitiv. Zwar war er anders als erwartet, aber ein dramatischer Pseudothriller ist für mich immer noch tausendmal interessanter als eine unlustige Möchtegern-Komödie. Wer also genreoffen ist, darf durchaus mit einer interessanten Umsetzung der Thematik rechnen, bei welcher der Thrill eben leiser Natur ist.

Ob ich ihn mir noch einmal ansehen würde? Sicher, in ein paar Jahren vielleicht, denn Sucht-Potential, wie es bei mir z.B. ein Film wie „Ring“ hat, ist bei „Hierro“ sicherlich nicht gegeben, vielleicht gerade weil die Auflösung keiner weiterer Fragen bedarf. Aber das ist auch gut so. Und was die Vorhersehbarkeit angeht: Ich hatte zwischenzeitlich mal einen gewissen Verdacht, den die Filmemacher jedoch so geschickt verworfen haben, dass ich am Ende einigermaßen bestürzt war. So soll das sein!



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Hierro - Insel der Angst

8.3

Unterhaltungswert

7.0/10

Optik & Musik

8.0/10

Schlüssigkeit

10.0/10

PRO

  • Unerwartetes Ende
  • Gute Story
  • Schöne Bilder

CONTRA

  • Kein Thriller im eigentlichen Sinn
  • Teilweise sehr ruhig und langatmig erzählt

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