Die Totensammler von PAUL CLEAVE oder Es ist nicht nur Leidenschaft, die Leiden schafft…
„Die Totensammler“ ist das nunmehr fünfte Buch des neuseeländischen Schriftstellers Paul Cleave, welches in die Kategorie der, nicht unbedingt für zart besaitete Leser geeigneten, Thriller fällt und wie alle seine Vorgänger-Romane in seiner Geburtsstadt Christchurch spielt.
Einleitung oder Warum gerade dieses Buch
So wie Serienkiller in Romanen das Morden als ihre Obsession ansehen, so entwickelte ich, wenn ich es recht bedenke vor doch inzwischen einigen von Jahren, mit dem unbefangenen und vorkenntnisfreien Spontankauf von Simon Becketts „Die Chemie des Todes“ zwar keine krankhafte Obsession, aber doch eine, möglicherweise nicht mehr ganz gesunde (das würden zumindest einige behaupten), Passion für Geschichten über Mörder, fiktiver und realer Natur. Eine ganze Reihe unterschiedlicher Autoren tummelt sich inzwischen namentlich in meinem Bücherregal, doch nur eine Handvoll kann in mir mit jedem veröffentlichten Buch eine sichere Einnahmequelle wissen. Neben dem bereits erwähnten Simon Beckett genießen meinen persönlichen Ritterschlag Jeffery Deaver, Richard Montanari, Cody McFadyen und eben Paul Cleave.
Während die ersten 4 mich mit fesselnden Reihen über wiederkehrende (Ermittler-)Figuren bei Laune halten, ist Cleave der einzige, der eher einen Ort anstelle von bestimmten Personen im Fokus hat, dazu jedoch später noch etwas mehr. Jedenfalls sollte sein erster Roman „Der Siebte Tod“, erzählt aus der Ich-Perspektive des liebenswürdig skurrilen Serienkillers Joe, mich dazu bewegen, jede darauf folgende Veröffentlichung noch in der ersten Erscheinungswoche käuflich zu erwerben, jedes Mal in der Hoffnung eine ähnliche Offenbarung lesen zu dürfen wie bei seinem Debüt. Bis dato stellte sich dies mit keinem der folgenden Bücher ein, aber a) ist verloren, wer nicht zumindest in manchen Bereichen des Lebens guten Mutes ist und b) fand ich keinen seiner Thriller schlecht, nur eben nicht annähernd so gut wie „Der Siebte Tod“.
Wie verhält es sich also nun mit „Die Totensammler“? Ich weiß es bereits und werde dieses Wissen im Folgenden mit euch teilen…
Klappentext
Ein neuer Killer ist in der Stadt
Christchurch befindet sich im Ausnahmezustand: Mehrere junge Frauen sind spurlos verschwunden. Hat die totgeglaubte Mörderin Melissa X, die die Metropole schon einmal heimsuchte, erneut zugeschlagen? Detective Schroder bittet den frisch aus der Haft entlassenen Ex-Cop Theo Tate um Hilfe. Es beginnt eine schweißtreibende Jagd. Ein neuer Serienkiller hat die Bühne betreten, und seine Taten stellen alles Dagewesene in den Schatten.
Buchdaten
Deutsche Erstausgabe veröffentlicht im Wilhelm Heyne Verlag, München, 2011
Originalausgabe unter dem Titel Collecting Cooper veröffentlicht bei Atria Books, A Division of Simon & Schuster, Inc, New York, 2011
Übersetzung aus dem Englischen von Frank Dabrock
Seitenzahl: 480
Preis: 8.99 Euro
Genre: Thriller
ISBN: 987-3-453-43598-8
Der Autor
Paul Cleave wurde 1974 im neuseeländischen Christchurch geboren, wo er bis heute lebt und arbeitet. In jener Stadt spielen auch all seine fiktiven Thriller, bisher fünf an der Zahl, deren Erzählstil sich dadurch auszeichnet, dass die Ereignisse, zumeist zeitgleich, aus den Perspektiven mehrerer involvierter Personen geschildert wird, wobei die Ich-Perspektive der Hauptfigur, bzw. einer der Hauptfiguren, vorbehalten bleibt.
Bei den Christchurch-Romanen handelt es sich um keine Serie im eigentlichen Sinne, die Akteure sind in der Regel neue Personen, wobei vergangene Morde und Mörder als Teil der Stadtgeschichte in manchen Situationen natürlich zwangsläufig integriert werden. Beim vorliegenden, zuletzt erschienen Roman, erleben die Cleave-Leser zum ersten Mal einen größeren Zusammenhang mit den vergangenen Romanen, allem voran dadurch, dass einer der Hauptakteure dies schon einmal war (Die Toten schweigen nicht, Heyne Verlag 2009). Seit Paul Cleaves Bestseller Debüt-Roman „Der Siebte Tod“ (Heyne Verlag 2007) ist der Neuseeländer fleißig und veröffentlichte bisher in jedem Jahr einen neuen Christchurch-Thriller. Namentlich: Der siebte Tod, Heyne Verlag 2007, Die Stunde des Todes, Heyne Verlag 2008, Die Toten schweigen nicht, Heyne Verlag 2009, Der Tod in mir, Heyne Verlag 2010, Die Totensammler, Heyne Verlag 2011.
Da die fiktiven Geschichten, wie bereits erwähnt, in einer durchaus realen Stadt spielen, bleiben Verweise auf Vergangenes zwar nicht aus, jedoch sind die Bücher in sich abgeschlossen und verlangen keine Vorkenntnisse der vorangegangenen Romane. Trotzdem empfehle ich ganz persönlich in chronologischer Reihenfolge zu lesen, auch wenn nicht zwangsläufig die Notwendigkeit besteht (übrigens werde ich das Gefühl nicht los, dass sich dies ändern wird und Paul Cleave dazu übergeht, seine Romane stärker miteinander zu verknüpfen. Ob der Schein trügt, werde ich jedoch voraussichtlich erst in einem Jahr erfahren).
Die Charaktere im Buch
Aus ermittlungstaktischen Gründen müssen die Vorstellungen oberflächlich bleiben 😉
Theodore Tate: Aus seiner Ich-Perspektive erleben wir grob geschätzt die Hälfte der Handlung. Theo ist im Prinzip alles auf Ex und ein gern herbeigezogener Charakter für Ermittlungsführungen. Ex-Cop, Ex-Detektiv, Ex-Knacki, Ex-Familienoberhaupt und Ex-glücklicher Mensch (vergleichbar mit der Hauptfigur der Bird-Parker-Reihe des irischen Autors John Connolly, die ich übrigens an dieser Stelle jedem Krimi-Fan nur wärmstens ans Herz legen kann). Vor 3 Jahren quittierte er den Polizeidienst, nachdem seine Tochter bei einem Autounfall, verursacht von einem betrunkenen Fahrer, ums Leben kam. Seine Frau überlebte die Tragödie zwar, doch waren ihre Verletzungen derart schwer, dass sie seither in einem Pflegeheim in tiefer Lethargie ihr Dasein fristet. Als Privat-Detektiv mit Hang zum Alkohol arbeitete er noch vor 2 Jahren erfolgreich (vergleiche „Die toten schweigen nicht“) als Jäger von Mördern, bis er schließlich selbst zum betrunkenen Fahrer wird und einen Unfall verursacht, der ein Mädchen fast das Leben kostet. Heute tritt Theo sein „neues“ Leben nach einem viermonatigen Gefängnisaufenthalt an. Schnell wird er in eine Kette an Ereignissen involviert und tut das, was er am besten kann: Ermitteln und Mörder jagen. Theo ist typischer Sympathie-Träger mit gebrochenem Herzen, den man seine nicht immer im Einklang mit dem Gesetz stehenden Taten verzeiht, weil sie nachvollziehbar sind und man ständig das Gefühl hat, an seiner Stelle das Gleiche tun zu müssen.
Adrian: Er ist die Sorte von Antagonist, die man zwar bemitleidet, deren Taten man jedoch trotzdem nicht für gut heißen kann. Das Mitgefühl seitens des Lesers rührt aus der tragischen Geschichte Adrians, dessen Leben eine ganz andere Richtung hätte einschlagen können, hätte man ihn, als es noch möglich war, geformt wie es verantwortungsbewusste Eltern in der Regel mit ihren Kindern tun. Da Adrian, ähnlich wie die Hauptfigur aus Simon Becketts „Tiere“, nicht unbedingt auf dem geistigen Niveau eines „normalen“ Erwachsenen Anfang 30 ist, sind es besonders diejenigen Momente, die der Leser zusammen mit ihm verbringt, die Paul Cleaves Romane auch immer eine sanfte Note Humor einhauchen.
Professor Cooper: Er unterrichtet an der hiesigen Universität Psychologie und Kriminologie und ist fasziniert von Serienkillern und allem, was dazu gehört. Aus diesem Grund befindet sich in seinem Haus auch eine beachtliche Sammlung zum Thema, die seine scheinbare Expertise noch einmal unterstreichen soll. Aktuell arbeitet er an einem Buch über Serienmörder in Christchurch.
Detective Schroder: Schroder ist ein Ex-Kollege Tates und weiß um dessen Fähigkeiten, weshalb er bei der Lösung eines Falles auf seine Hilfe angewiesen ist. Er ist selten mit den Vorgehensweisen einverstanden, muss sie aber im Endeffekt mit einem giftigen Spruch auf den Lippen akzeptieren, insgeheim sind es sogar gerade diese Eigenarten an Theo, die ihn für Schroder so wertvoll machen.
Emma: Sie ist das Mädchen, welches Theo vor einem Jahr angefahren hat. Nach einer langen Zeit der Erholung tritt sie nun wieder zurück ins Leben und hat kürzlich ihr Psychologie-Studium aufgenommen.
Die Handlung
Auch hier heißt die Devise: Aus ermittlungstaktischen Gründen kann nicht allzu tief in die Thematik eingedrungen werden.
Theodore Tate tritt aus dem Gefängnis in die Freiheit. Zeit den Augenblick zu genießen hat er keine, denn auf ihn wartet bereits sein ehemaliger Kollege Detective Schroder, was nur eines bedeuten kann: Dieser benötigt seine Hilfe. Melissa X, die neueste Mörderin in der Stadtgeschichte von Christchurch versetzt das neuseeländische Örtchen in Angst und Schrecken und Schroder hofft, dass Tate, aus allen Ämtern entlassen, auf nicht ganz legalem Weg Informationen sammeln kann, die die Polizei bei der Suche der Killerin weiterbringt. Darüber hinaus weiß Schroder um Tates herausragende Leistung als Ermittler. Theo lehnt ab, nimmt die ihm angebotene Akte von Melissa X nichtsdestotrotz mit nach Hause. Insgeheim ist er sich sicher, dass ihm der Fall ohnehin keine Ruhe lassen und er Schroders Bitte um Hilfe nachkommen wird.
Als er sich gerade in den Fall einarbeitet, klingelt es an seiner Tür und vor ihm steht Donovan Green, der Vater des Mädchens, welches Tate vor einem Jahr im Alkoholrausch fast zu Tode gefahren hätte. Statt ein weiteres Mal zu versuchen Theo zu töten (wie damals nach dem Unfall), verlangt Green Theos Hilfe, denn Emma ist verschwunden. Und auch hier bleibt Tate keine andere Wahl als zuzusagen, wenn auch aus einem anderen Grund als bei Detective Schroder. Er ist es der Familie schuldig. Sogleich macht er sich daran, Hinweise für Emmas Aufenthaltsort zu finden, auch wenn das Verschwinden eines Mädchens in Christchurch meistens nur eines bedeuten kann: Sie ist längst tot…
Meinung
Wie erwähnt gibt es Bücher, die ich einfach kaufe, weil sie von einem meiner Lieblingsautoren stammen. So auch hier geschehen. Wäre der ziemlich unspektakulär geratene Klappentext von einem Buch eines mir bis dato unbekannten Autors gewesen, hätte ich vermutlich nicht mal zugegriffen. Gott sei Dank sollte sich herausstellen, dass jener Text recht wage gehalten ist und nur einen ganz kleinen Teil des Buches beschreibt. Die Richtung, die der Thriller dann tatsächlich einschlägt, ist um einiges spannender als erwartet.
Die Übersetzung von Collecting Cooper in Die Totensammler finde ich etwas unglücklich, wenn auch nicht völlig aus der Luft gegriffen oder nicht nachvollziehbar. „Cooper sammeln“ klingt im deutschen vielleicht tatsächlich etwas unspektakulär. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass man die Originaltitel einfach mal so lässt wie sie sind. Darüber jedoch kann man wohl stundenlang, wenn nicht länger, diskutieren, unerwähnt lassen wollte ich es jedoch nicht.
Die Story
Im Klappentext heißt es ja „seine Taten stellen alles Dagewesene in den Schatten“. Als Leser von CodyMcFadyen Bücher kann man das im Nachhinein vielleicht nicht unbedingt unterstreichen, denn brutaler als in dessen Krimis kann es wohl kaum noch zugehen. Darüber hinaus hat man im Prinzip im Thriller alles schon irgendwie so ähnlich mal woanders gelesen. Trotzdem, die Idee, welche, soviel sei zumindest verraten, eng mit dem Originaltitel verknüpft ist, ist pfiffig. Die Story ist kein klassisches „Who’s done it“, sondern entwickelt sich im Laufe der Zeit vorwiegend in ein „Where is he“, was der Spannung absolut keinen Abbruch tut. Als Leser ist man sowieso einen Schritt voraus, da man die Ereignisse aus mehreren Perspektiven geschildert bekommt. Logikfehler, und sowas ist mir immer unglaublich wichtig, konnte ich keine entdecken und obwohl der Leser stets etwas mehr weiß als Tate, denkt man nie „darauf musst du doch jetzt mal kommen, Tate“ – ein Gefühl, was ich besonders immer bei den Romanen von Andreas Franz habe (wenn die deutsche Kriminalpolizei wirklich derart schwer von Begriff ist, dann gute Nacht und viel Spaß an alle anders gearteten Schwerverbrecher hrhr).
Der Erzählstil
erstreckt sich auf mehrere Perspektiven, wobei die Ich-Perspektive Theo Tate vorbehalten ist. Da Theo Tate im Grunde ein guter und hilfsbereiter Mensch ist, fällt es leicht, sich mit ihm zu identifizieren und da er ein intelligenter Vertreter seiner Art ist, bereitet seine Schilderung der Dinge keinerlei Unbehagen und besonders die Dialoge mit Detective Schroder bringen einen zum Schmunzeln.
Die Ereignisse aus Adrians Sicht geschildert sind demgegenüber eine etwas andere Welt, wenn auch nicht so sehr naiv wie zuletzt in Simon Becketts Tiere, auch wenn die beiden Antagonisten auf einem einigermaßen vergleichbaren geistigen Niveau sind. In diesem Buch macht es tatsächlich Spaß Adrians Unverständnis mancher Dinge zu begegnen und da seine Sicht der Welt in der dritten Perspektive erzählt wird, bleiben allzu naiver Satzbau und kindliche Schilderungen weitestgehend aus, weshalb man sich auch hier ohne Mühe auf den Charakter einlassen kann.
In der Regel wird der Leser abwechselnd Zeuge des Geschehens aus Tates, Adrians und Coopers Sicht und keine gestaltet sich als ungeeignet oder langweiliger als die andere. Dieser Wechsel der Perspektive ist vor allem der Spannung sehr zuträglich, dazu jedoch an anderer Stelle noch ein paar Worte mehr.
Die Charaktere
Tate ist, ich erwähnte es bereits, eine stilisierte Thriller-Figur, die aufgrund von tragischen Schicksalsschlägen ein gebrochener Mensch, in diesem Falle ein Mann, ist, dessen Gerechtigkeitsempfinden zwar nicht unbedingt immer mit den Gesetzen konform geht, sich jedoch trotz aller Rückschläge seine Menschlichkeit bewahrt hat, was ihn zu einem dankbaren Protagonisten macht. Die Figur und ihr Hintergrund ist zwar nicht neu und sicher nicht so spektakulär wie etwa der schrullige Mörder Joe aus dem Debüt-Roman, aber seine Reaktionen in diversen Situationen machen ihn, ganz unaufdringlich und ohne Brechstange, zu einem Sympathieträger mit dem man fiebert und den man selbst dann anfeuern würde, wenn er einen Mörder am eigenen Leib spüren ließe, wie sich dessen Gräueltaten tatsächlich anfühlen. Ohne das Cleave eine eingehende Charakterstudie zeichnet, kann sich der Leser einen stimmigen und eindringlichen Standpunkt bilden, der das Lese-Vergnügen äußerst wirksam anhebt.
Adrien hingegen ist vielleicht nicht der Prototyp des Antagonisten, der nach Schema F seine „Ich kann nicht anders“ und „Stirb du Wicht“-Plattitüden in die Welt schreit. Vielmehr hat auch er eine tragische Geschichte, die ihn zwar nicht unbedingt zum Träger von Sympathien macht, gleichgültig ist er einem aber dennoch nicht. Sein Unverständnis manchen Dingen gegenüber und die fehlende Fähigkeit diverse Denkprozesse adäquat leisten zu können, machen auch ihn menschlich und bedauernswürdig. Seine Intentionen sind teilweise sogar derart nachvollziehbar, dass man ihn knuddeln und sagen möchte, dass alles gut wird. Dass man ihm dennoch nicht verzeiht ist die Leistung Paul Cleaves, der auf dem schmalen Grad zwischen Pro- und Antagonist hier sehr gut die Balance hält.
Coopers Charakter bleibt etwas blasser, und trotzdem er sowohl Schwäche als auch Stärke zeigt, wird man mit ihm schlecht warm, was jedoch wiederum gut für das Buch ist. Seine Überheblichkeit und Selbstüberschätzung spiegelt sich weniger in seinem Denken wider, sondern wird vielmehr durch andere an den Tag gebracht.
Auch alle anderen Figuren werden nicht bloß abgetan, sondern erhalten in jeder Hinsicht ihre Eigenarten und Daseinsberechtigung, was gemessen an der Fülle der handelnden Personen schon eine Leistung ist. Hier hat jeder eine Geschichte, die zwar oftmals nur im Kleinen erzählt wird, jedoch nie zum bloßen Selbstzweck der Effekt- oder Gefühlshascherei verkommt.
Die Spannung
Die Geschwindigkeit, in der man ein Buch liest, ist ja nicht unbedingt ein verlässlicher Indikator dafür, dass ein Roman auch wirklich spannend ist, aber völlige Unabhängigkeit kann man dieser Tatsache auch nicht zusprechen. So habe ich inzwischen sicherlich 5 Anläufe unternommen „Der Augensammler“ von Fitzek zu lesen und bin über die ersten 70 Seiten noch immer nicht hinausgekommen, Bei „Die Totensammler“ hingegen bin ich seit langer Zeit mal wieder morgens nach 3 Stunden Schlaf nicht etwa nach einer durchzechten Nacht, sondern vielmehr nach einer durchlesenen Nacht aufgewacht, weil erst morgens gegen 4 die Vernunft mir sagte, dass alle Anstrengungen, das Buch noch in der Nacht zu Ende lesen zu können, zum Scheitern verurteilt sind. Ob nun verlässlicher Indikator oder nicht, „Collecting Cooper“ ist spannend. Aber warum?
Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Unberechenbarkeit der Charaktere hier das Zünglein an der Waage ist. Das Adrian aufgrund seiner autodidaktischen Leistungen, deren Ergebnis nicht unbedingt dem entspricht was man von einem Musterschüler erwartet (höchstens bei Stephen King vielleicht) unberechenbar handelt, versteht sich im Grunde genommen von selbst, doch vermag er in Momenten, in denen man denkt, man hätte seine Beweggründe vollends durchschaut und wüsste wie er tickt, erstaunlicherweise, völlig nachvollziehbar im Nachhinein, zu überraschen.
Von dem Sympathieträger Tate erwartet man es vielleicht am wenigstens, doch auch er ist in dem was er tut unberechenbar, auch wenn er einen nicht im negativen Sinne überrascht (was natürlich je nach Gerechtigkeitsempfinden Ansichtssache ist die Wertung seiner Taten betreffend). Und auch sonst handeln einige Personen hier unerwartet, was jedoch erst in der völligen Nachvollziehbarkeit seinen Anteil an der konstant hohen Klimax begründet.
Ein weiterer Pluspunkt ist natürlich immer dann gegeben, wenn man nicht nur einen Mörder jagt, sondern es gilt ein Opfer lebend aus dessen Fängen zu befreien. Das Mitfiebern hier ist besonders intensiv, da es sich keinesfalls um ein anonymes Opfer handelt, sondern es ein Gesicht, eine Geschichte und einen Charakter hat, was in solchen Büchern, wenn wir mal ehrlich sind, nicht unbedingt immer der Fall ist. Auch ich habe mich anderenorts schon dabei erwischt, wie ich insgeheim den Mörder angefeuert habe, da das Opfer dank fehlender oder negativer Charakterisierung außer meiner Gleichgültigkeit keine Gefühlsregung von mir erwarten konnte.
Darüber hinaus ist der Erzählstil der Spannungskurve unglaublich zuträglich. Die einzelnen Kapitel sind in ihrer Seitenzahl meist relativ überschaubar (wenn auch nicht abgehackt kurz) und fast jedes endet mit einem Cliffhanger, welcher natürlich im nächsten nicht aufgelöst wird, schließlich wechseln wir in der Regel hier ja die Perspektive. Das Erstaunliche was Cleave hier schafft ist, dass man die Folgekapitel nie als notwendiges Übel ansieht, die zur Auflösung des Cliffhangers an späterer Stelle einfach gelesen werden müssen, ob man nun will oder nicht, sondern annähernd jedes Kapitel und jeder Handlungsträger macht es spannend ohne zu überladen. Vielmehr wird die Geschichte stimmig, jedoch in flottem Tempo, vorangetrieben ohne unnötiges Beiwerk.
Hier weiß der Leser in jeder Sekunde, dass er einen Thriller in Händen hält und wenn er ähnlich geartet ist wie ich, wird er ihn auch so schnell nicht weglegen wollen bzw. können.
Fazit
Wenn ihr es geschafft habt, bis hierhin lesender weise und nicht bloß fliegender weise durchzudringen, habt ihr möglicherweise den Eindruck gewonnen eine neue Thriller-Perle am Serienmörder-Himmel gefunden zu haben. So weit würde ich nicht gehen wollen, auch wenn ich die 9 Punkte gerne und voller Überzeugung vergebe, denn meines Erachtens nach ist „Die Totensammler“ wirklich ein sehr gutes Buch.
Allerdings scheiden sich an Paul Cleave viele Geister. Die Krimi-Couch, das Gesinnungsportal meines Vertrauens, was einige ähnlich veranlagte Suchtis von euch vielleicht kennen mögen, hat an dem Neuseeländer noch kaum ein gutes Haar gelassen und ich vermute, dass das auch diesmal wieder der Fall sein wird. Warum weiß ich ehrlich gesagt nicht, sogar das Publikum ist ähnlich gespalten, besonders was meinen persönlichen Liebling „Der Siebte Tod“ betrifft. Die Gründe für all die negativen Bewertungen erschließen sich mir schlichtweg nicht, zumindest beim Großteil der Bücher.
Die geschilderten Handlungen waren meiner Meinung nach schlüssig, nachvollziehbar und in Gänze spannend geschildert, die hinter dem Buch stehende Idee ist pfiffig und sogar noch latent als neu zu bezeichnen, zumindest was meinen bisherigen Lesehorizont angeht.
Wie gesagt, man kann sich über alles streiten und in jedem Genre ist es irgendwann schwierig, etwas vollkommen Neues zu schaffen. Aber muss es das denn? Ich bin es zufrieden, wenn etwas Blut fließt, ich mit einem guten Jäger mitfiebern kann und es einen Mörder gibt, der durch, nennen wir es mal interessante, Vorgehensweise auf sich aufmerksam macht. Darüber hinaus mag ich Cleaves Erzählstil und seine Art Christchurch als kriminellen Mittelpunkt der Welt zu statuieren, zumindest sehen es die handelnden Personen so, was angesichts der fiktiven Stadtgeschichte durchaus nachvollziehbar ist.
Was fehlt nun also zur Perle und was ist es, was „Die Totensammler“ zu keiner Offenbarung macht? Vielleicht die Tatsache, dass in vielen Bereichen alles sehr gut ist, jedoch nicht besser als alles andere, was ich bisher gelesen habe. Ein Ex-Cop und Ex-Privatdetektiv – hier sehr gut geschildert, aber nicht so cool und unverwechselbar wie der bereits erwähnte Bird Parker mit seinen beiden besten Freunden (zwei homosexuelle Auftragskiller) vom irischen Autor John Connolly. Viele kleine Wendungen, jedoch kein so riesiger AHA-Effekt, wie ihn mir ein Jeffery Deaver in seiner Lincoln Rhyme-Reihe am Fließband zu präsentieren vermag. Und keine so grandiose Idee wie der schrullige Serienmörder Joe, der sich in mein Herz mordet. Da dieser jedoch aus der Feder von Paul Cleave selbst stammt und ich den vielfach erwähnten „siebten Tod“ durchaus als jene solche Perle erachte, wird mir der Autor hier verzeihen, dass ich sein Buch „nur“ als sehr gut empfinde. Das tollste an der ganzen Geschichte jedoch ist für mich, dass ich nun wieder richtig Lust habe zu lesen, und das verdanke ich aktuell Paul Cleave!
Im Prinzip stelle ich eine uneingeschränkte Empfehlung für alle Anhänger der gepflegten Unterhaltung aus, kann vielleicht nur in dem Fall abraten, wenn ein Slasher ala Cody McFadyen erhofft wird, so blutig geht es hier keineswegs zu. Aber definitiv so spannend!
Diese Kritik ist ebenfalls beim Erfahrungsportal ciao.de* zu finden.
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