Blood On Snow von JO NESBØ

Blood On Snow Jo Nesbo Cover

„Blood On Snow“ ist ein im Jahre 2015 erschienener, aus der Ich-Perspektive des Protagonisten verfasster, Thriller aus der Feder des in Oslo geborenen Bestseller-Autoren Jo Nesbø, übersetzt aus der norwegischen Sprache ins Englische von Neil Smith.

Einleitende Worte oder Warum gerade dieses Buch

„Bedenken Sie, wir lernen nicht für die Schule (wirkungsvolle Pause), sondern für das Leben!“ Kluge Worte, die aus dem alten Rom ausgehend bis heute von unterschiedlichster Stelle unser ach so modernes Leben erreichen und in meinem Ohr grundsätzlich mit der Stimme von Theo Lingens Paraderolle des Oberstudiendirektors Dr. Gottlieb Taft widerklingen. Nicht jeder Pennäler, und auch jene, die es mal waren, wird diese Weisheit guten Gewissens unterschreiben wollen, fühlt sich doch ihre ursprüngliche Version aus der Feder des Philosophen Seneca nur allzu oft sehr viel trefflicher an. Dort heißt es nämlich: Non vitae, sed scholae discimus – Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir. Und fürwahr, während sich diverse Plutimikationen und Fremdsprachenkenntnisse auch nach dem endgültigen Verlassen der Bildungsstätte als durchaus hilfreich erweisen, bleibt bei manchem (versuchsweise) Gelernten der tiefere Sinn für ein erfolgversprechendes Meistern der eigenen Existenz für lange Zeit oder gar immer verborgen.
Und so trägt jeder ehemalige Eleve sein ganz persönliches Erkenntnis-Konglomerat auf seinen Schultern. Ich beispielsweise benötigte länger als eine Dekade um meinen Frieden mit Goethe zu schließen und war nach der Oberstufenlektüre von William Goldings „Lord Of The Flies“ vollumfänglich davon überzeugt, niemals nicht freiwillig ein englischsprachiges Buch zu lesen. Erst heute sagte ich diesem Dogma den Kampf an, kamen doch mehrere begünstigende Begebenheiten zusammen: Ein wunderschöner Schottland-Urlaub, welcher aufzeigte, dass es durchaus ratsam sei, die eingerosteten Sprachskills ein wenig bis sehr deutlich aufzufrischen, die Tatsache mehr als ein Jahr lang kein Buch mehr aus dem von mir so innig geliebten Krimi- und Thrillergenre mehr angerührt zu haben und schließlich Jo Nesbøs Name, der seit Ewigkeiten, inzwischen vehement anklagend, auf meiner imaginären To-Read-Liste prangerte, ohne erhört zu werden. Als ich bei Blogg Dein Buch nun „Blood On Snow“, die mit 208 Seiten auf den ersten Blick recht kurz geratene, aber für einen Englisch-Newbie gerade feinstens überschaubare, Geschichte um einen Auftragskiller, der sich in sein nächstes Opfer verliebt, entdeckte, ward das Schicksal meiner Englisch-Doktrin besiegelt. Wir werden sehen, ob diese dank Herrn Nesbø langfristig ad acta liegt.

Buchdaten

1. Auflage, 09. April 2015
Herausgeber: Harvill Secker
Übersetzung ins Englische aus dem Norwegischen: Neil Smith
Taschenbuch, 208 Seiten
Preis: 11,99£ (in Deutschland für 12,95€ erhältlich)
Bei der Verlagsgruppe Penguin Random House hier bestellbar
Genre: Krimi/Thriller
ISBN: 9781846558603

Klappentext

Olav lives the lonely life of a fixer. When you ‘fix’ people for a living – terminally – it’s hard to get close to anyone. Now he’s finally met the woman of his dreams. But there are two problems. She’s his boss’s wife. And Olav’s just been hired to kill her.

Zum Autor / Zum Übersetzer

Jo Nesbø

Betrachtet man das familiäre Umfeld des am 29. März 1960 in Oslo geborenen Jo Nesbø, darf man hinlänglich zu dem Schluss kommen, dass seine Entwicklung hin zu einem der meistgelesenen Krimi-Autoren (20 Millionen verkaufte und in mehr als 40 Sprachen übersetzte Bücher) weltweit, wenn nicht schicksalhaft vorbestimmt, dann doch immerhin sehr durch seine Eltern begünstigt wurde. Diese, ein Lehrer und eine Bibliothekarin, sensibilisierten ihren Sprössling schon früh im Umgang mit vielfältigster Literatur, lasen ihm vor und erzählten ihm Geschichten. Obschon Nesbø entsprechend früh als außerordentlich phantasievoll galt, schlug er als Heranwachsender einen gänzlich anderen Weg ein als erwartet: Seine Leidenschaft galt dem Fußball, besonders den Tottenham Hotspurs. Er wollte professioneller Spieler werden, schaffte es in die erste norwegische Liga – bis ein Kreuzbandriss sämtliche weiteren Ambitionen begrub. Zum Umdenken gezwungen schlug der junge Norweger einen anderen Weg ein, beendete die Schule mit Bestnoten und absolvierte im Anschluss an der Norwegischen Handelshochschule eine Ausbildung zum Diplom-Kaufmann und Finanzanalyst, während derer ihn in Gestalt der Musik eine neue Leidenschaft packte. Mit seiner Band Di Derre erreichte er in den Charts seiner Heimat Platz 1, derweil er beruflich mit Aktien handelte. Dieser Spagat zwischen dem Leben eines Popstars und dem seriösen Finanzjob war auf Dauer nichts für Nesbø, der sich infolgedessen eine Auszeit in Australien gönnte, von der er mit seinem ersten Roman „Flaggermusmannen“ im Gepäck zurückkehrte, geschrieben aus Langeweile auf dem Rückflug. Dieser erste Teil der mittlerweile weltweit berühmten Harry-Hole-Ermittlerreihe aus dem Jahre 1997 gewann damals alsbald den renommierten norwegischen Riverton-Preis für die beste Kriminalromanveröffentlichung. Inzwischen hat der genrestereotypisch antiheldische Kommissar bereits zehn Fälle gelöst und erfreut sich global unerhörter Beliebtheit. „Blood On Snow“ ist nach „Headhunter“ (2008) und „Der Sohn“ (2014) Jo Nesbøs dritter Standalone-Krimi. Außerhalb von Mord und Totschlag verfasst der Osloer darüber hinaus (völlig jugendfreie) Kinderbücher.

Neil Smith

Der britische Übersetzer kann sich nach eigener Aussage keinen schöneren Beruf als den seinen vorstellen und gehört seiner Passion entsprechend zu den besten seines Faches, was ihn speziell unter den Krimijunkies im englischsprachigen Raum eine eigene Fananhängerschaft eingebracht hat. Neil Smith studierte in London Skandinavistik und lebte einige Jahre in Stockholm. Inzwischen ist er in Norfolk, Großbritannien, sesshaft geworden und zeichnet sich vor allem für die Übersetzung der Werke schwedischer Thrillerautoren verantwortlich, so beispielsweise Liza Marklund (Annika-Bengtzon-Reihe), Mons Kallentoft (Malin-Fors-Reihe) und Erik Axl Sund.

Inhalt

1977 hält für die Bevölkerung Oslos einen außergewöhnlich eisigen Winter bereit. Schneeflocken tanzen, angefeuert vom beißenden Wind am Nachthimmel und Olav hat gerade einen Mann erschossen. Damit verdient er seinen Lebensunterhalt, arbeitet er doch für einen der beiden einflussreichsten Gangsterbosse der norwegischen Hauptstadt, welcher mithilfe des von ihm organisierten Drogenhandels und Prostitution die niederen Bedürfnisse der Kapitalbewohner befriedigt. Und eben jener Daniel Hoffmann hat auch schon den nächsten Auftrag für seinen großgewachsenen Fixer – einen, delikater als jeder der vorangegangen Jobs: Olav soll die mutmaßlich fremdgehende Angetraute seines Bosses höchst selbst eliminieren. Hoffmann gestattet kein Zögern seitens seines Killers, und so ist es beschlossene Sache – Corina ist dem Tod geweiht. Und auch Olav hat die Ahnung, dass dieser Mord mit Problemen behaftet sein wird. Nicht etwa weil es um eine Frau geht, nein, den Tod hat seiner Ansicht nach jeder, der Böses auf die eine oder andere Weise tut, verdient, geschlechterunabhängig. Sorgen bereitet ihm vielmehr die Nähe, die durch ein solch heikles Vorhaben zwischen ihm und seinem Geldgeber entsteht. Doch als wäre die Angelegenheit nicht bereits so, wie sie ist, prekär genug, ändert sich alles, als Olav sein Zielobjekt zum ersten Mal sieht: Die junge Dame ist das schönste Wesen, welches jemals seinen Weg gekreuzt hat, und dieses Gefühl, das ihr bloßer Anblick in ihm auslöst, kann nur eines bedeuten – Liebe.

Trivia

Schon im Jahre 2013 fand „Blood On Snow“, zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch gänzlich ungeschrieben, den Weg in die Medien. So ward davon die Rede, dass es sich um eine dreiteilige Serie handele, für deren ersten Teil sich niemand geringerer als Leonardo DiCaprio bereits die Filmrechte gesichert habe. Erscheinen sollte der Auftaktband im Frühjahr 2014, und das nicht etwa unter dem Namen Jo Nesbøs, sondern unter dem Pseudonym Tom Johansen. Auf der Online-Präsenz der WAZ war darüber hinaus zu lesen, dass dieser Name vom Norweger nicht willkürlich gewählt wurde, sondern selbst Teil der Romanserie sein würde, „[…]eine Art Fiktion in der Fiktion“.
Fakt ist, Stand jetzt: Jo Nesbø persönlich ziert in großen Lettern das Buchcover und in „Blood On Snow“ findet kein Tom Johansen Erwähnung, aber: Olav ist seines Zeichens ein Spross jenes Geschlechtes, und es wird – eine Ankündigung diesbezüglich findet sich auf der letzten Seite des vorliegenden Buches – eine Fortsetzung geben, die die Ereignisse des Auftaktes offenbar lose aufgreift. Man darf also gespannt sein.

Meinung

Diskussion um die literarische Gattung

Unter den globalen Lesern und Rezensenten von „Blood On Snow“ ist vielerorts im Netz eine leidenschaftliche, wenn auch höfliche Debatte darüber ausgebrochen, ob ein Roman mit 208 Seiten, welche dann auch noch mit verhältnismäßig großen Lettern bedruckt sind, überhaupt ein solcher ist oder nicht vielmehr das Wort Kurzgeschichte des Pudels Kern trefflicher bezeichnet. Weiterhin wird in Frage gestellt, ob sich so wenig Papier überhaupt eignet, dem spannungsvollen Genre des Thrillers gerecht zu werden und angemessenen Tribut zu zollen (auch damit soll sich hier später befasst werden).
Da wären wir also wieder beim Thema Bildungseinrichtung und demjenigen Gehalt an Wissen, welches man imstande ist, hinaus in die weite Welt zu tragen und fernab der Schulmauern in seinem alltäglichen Leben gekonnt einzusetzen – und allzu gerne würde ich an dieser Stelle die weiße Flagge schwenken und um Gnade winseln, so sich doch nur jemand anderes berufen sähe, die Frage nach der literarischen Einordnung von Jo Nesbøs aktuellem Werk mit einer korrekten, unumstößlichen Antwort zu versehen. Doch bin ich der Tor, welcher hier nun steht (vielmehr sitzt) und so ist das nun Folgende meine persönlich gefühlte Lösung, mit Sicherheit jedoch kein Allheilmittel.
Meiner Ansicht nach handelt es sich bei „Blood On Snow“ um eine Novelle, was für mich immerhin insofern praktisch ist, dass dieses literarische Konstrukt relativ schwammig definiert ist und meine Vermutung entsprechend gute Chancen hat, sich bei schlüssiger Argumentation als mögliche Interpretation zu etablieren – frei nach dem Motto „Wenn es sonst nichts ist, dann muss es wohl eine Novelle sein“. Kurzgeschichten habe ich in meinem Leben schon einige gelesen (genaugenommen mehr als mir mitunter lieb war), und für mein Empfinden ist Jo Nesbøs aktuelles Werk schlichtweg zu lang, ausführlich, genau und vor allem intensiv, um sich in jene Schublade zu betten, obschon natürlich das eine oder andere Merkmal dafür spräche, wie etwa die spartanische Charakterisierung der Personen. Dennoch, ich bleibe bei meiner Kategorisierung, denn „Blood On Snow“ grenzt sich auch vom gemeinen Romanwerk ab, welches seine Protagonisten (und meist auch die Gegenspieler) von allen Seiten beleuchtet, ihnen ausführliche Leidensgeschichten auf den Leib schreibt und sie allerlei, auch für das Vorantreiben der Handlung unwesentliche, Wege gehen lässt, auf welchen der Leser sie begleiten darf.
Die überschaubare Länge des Buches, etwa im Vergleich zu Nesbøs Harry-Hole-Reihe, damit zu erklären, dass es der Auftakt einer Serie ist, halte ich für puren Nonsens, schließlich gibt es allzu viele Trilogien, welche allein vom Seitenumfang her etwas gegenteiliges beweisen. Doch wie dem auch sein, „Blood On Snow“ ist eine Geschichte, die es zu Papier gebracht hat und die es verdient, gelesen zu werden, ganz gleich welcher Spezies man sie nun zuordnen möchte.

Charaktere

Die Charaktere des Buches werden überwiegend nur sehr oberflächlich skizziert, was, wie bereits erwähnt, der literarischen Gattung des Werkes zuzuschreiben ist und dem Autor dementsprechend nicht negativ ausgelegt werden sollte. Gleichwohl zeichnet sich von Olav Johansen, Protagonist, Auftragskiller und Erzähler in der Ich-Perspektive, mit voranschreitender Handlung ein genaueres Bild – nicht allzu offensichtlich, doch zwischen den Zeilen mehr als deutlich greif- und lesbar. Geschickt lässt Nesbø Vergangenes aus dem Leben seines Antihelden mittels nonverbalen Monologes in die aktuellen Geschehnisse einfließen, was den norwegischen Hünen trotz seiner zwielichtigen Art, sein Geld zu verdienen, verstehbar und sympathisch macht. Besonders letzteres ist für mich persönlich wichtig, werde ich doch nicht müde an unterschiedlichster Stelle zu betonen, dass eine Geschichte, egal wie kurz oder lang sie auch sein mag, ohne liebenswerten (auf die eine oder andere Art) Hauptdarsteller niemals eine richtig gute sein kann. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass nicht jeder es vermag, mit Olav zarte Bande der Zuneigung zu knüpfen. In diesem Fall wird definitiv eine Menge des Charmes der Story und des Lesevergnügens allgemein verloren gehen – äußerst schade drum, hat der Fixer, ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, doch neben der Seite, die er auf der Straße gezwungen ist an den Tag zu legen, noch eine fragile, phantasievolle, gar intellektuelle Facette, die es bei genauem Hinsehen zu entdecken gilt. Bezüglich Carina hingegen gibt es nicht allzu viele Schätze zu bergen. Vielmehr gilt abermals Herrn Nesbø ein großes Lob, der es mit wenigen Worten, die er jener Dame in den Mund legte, geschafft hat, sie von Anfang an unsympathisch zu finden – auf diese Weise macht das Fiebern um Olavs Leib- und Seelenheil gleich doppelt Freude. Überhaupt ist es erstaunlich, wie gut die Oberflächlichkeit ihre Funktion erfüllt. Die Synapsen im eigenen Hirn arbeiten, denken, vermuten, irren, liegen richtig und zeichnen schließlich ihre eigene Geschichte für jene Fakten, die der Autor eben nicht auf dem Silbertablett servieren möchte. So hat man am Ende selbst vom nichtigsten Handlanger Hoffmanns Pine ein Bild, welches Nesbø begonnen und dem Leser zur Vervollkommnung vertrauensvoll übergeben hat.

Sprachstil

Zunächst sei erwähnt, dass das Lesen eines Thrillers in englischer Sprache sich als weniger anstrengend erwies als anfangs von mir vermutet und befürchtet. Auch hier spielt eventuell das literarische Genus in meine eingestaubten Karten, zeichnet sie sich doch durch eine kurze, prägnante, nicht allzu ausufernde Schreibe aus. Wenngleich die Zuhilfenahme des Wörterbuches bei einigen wenigen Vokabeln meinerseits unvermeidlich war, tat dies dem fließenden Lesevergnügen keinen Abbruch. Vielmehr war der Text auch in jenen Situationen verständlich, bei welchen das Gehirn nicht für jedes Wort ad hoc das exakte deutsche Pendant bereithielt.
Fernab der forensischen Autopsie meiner Englisch-Fähigkeiten lässt sich der Sprachstil von „Blood On Snow“ in zwei Ebenen untergliedern, was erstaunlich ist, da es, von einem einzigen Kapitel abgesehen, immer Olav ist, aus dessen Perspektive der Leser Teil der Geschichte wird. So haben wir auf der einen Seite die Schilderung der Ereignisse (fast ausschließlich im Präteritum), das Vorantreiben der Story, Dialoge mit Gangstern und deren Vorgesetzten. Der Sprachstil ist lakonisch, flapsig und wenig bis gar nicht ausschmückend. Etwa wird Olav niemals schnell, ängstlich, überrascht oder in welcher Form auch immer nicken, nein, er nickt einfach. Das ist ok, passt es doch auch thematisch in die gesellschaftlichen Kreise, in welche Jo Nesbø hier entführt. Dann ist da noch die andere Seite, diejenigen Worte, die der Auftragskiller nicht laut ausspricht, sondern dem Leser in Form von Gedanken und Erinnerungen zur Charakterstudie zur Verfügung stellt. Hier wird es ausschmückender, prosaischer und gehobener, was nicht zuletzt daran liegt, dass der auf den ersten Blick etwas tumb wirkende Wikinger ein Faible für gehobene Literatur hat.
Die unterschiedlichen Sprachebenen behindern sich gegenseitig nicht im Geringsten und sorgen ebenso wenig dafür, dass der Lesefluss unterbrochen wird. Die Geschichte bleibt ein homogenes Ganzes, in welchem nicht nur die Wortwahl, sondern auch die Verwendung unterschiedlicher Tempora niemals zufällig, sondern immer präzise akzentuiert und für einen speziellen Zweck bestimmt zu sein scheint.

Handlung / Idee

Ganz offensichtlich scheint Jo Nesbøs Idee, die „Blood On Snow“ zugrunde liegt, wie zuvor ausgeführt, genau der Stoff zu sein, aus dem hollywood’sche Träume gemacht sind. Ganz sicher existieren auf dieser Welt unzählige Bücher, in deren Mittelpunkt ein Auftragskiller steht, und nicht minder verlässlich ist wohl die Annahme, dass es unter diesen Werken einige gibt, die das hier verwandte Liebesmotiv von potentiellem Opfer und Täter aufgreifen. Immerhin kannte ich vor „Blood On Snow“ überhaupt kein derlei geartetes Buch, weswegen Vergleiche in Form von „Autor XY hat das aber viel spannender als YX umgesetzt“ per se ins eisige Nass eines Osloer Fjords fallen. Darüber hinaus müsste ich schwerstens nachdenken, ob ich überhaupt schon einen Thriller gelesen habe, der Liebe nicht nur zu einem unter vielen, sondern zu einem zentralen Gegenstand macht. Spontan fällt mir keines ein, womit ich nicht sagen möchte, dass Jo Nesbø hier einen nie dagewesenen Geistesblitz bezüglich seiner Story hatte. Vielmehr ist „Blood On Snow“, das in seiner deutschen Fassung übrigens „Der Auftrag“ heißen wird (gähn), eine mehr als gute Gelegenheit für eine kleine, aber dennoch feine Weisheit, welche sich bis heuer noch immer bewahrheitet hat: Lieber eine gute, wenngleich nicht neue, Idee stimmig und spannend verpackt, als eine völlig hanebüchene Geschichte ohne Hand und Fuß, jawohl.

Spannung

Die Geschichte um Olav startet ohne wortreiche Exposition direkt mit dem Protagonisten, und der Leser wird Zeuge, wie er seinen, im wahrsten Sinne, Knochenjob verrichtet. Auch weiß man dank des Klappentextes relativ präzise woran man ist, weswegen ein guter Anfangsteil des Buches mehr dem Aufbau einer Beziehung zwischen Johansen und dem Rezipienten als dem Erzeugen bodenloser Spannung gewidmet ist. Doch nicht zuletzt dank der vielen unausgesprochenen, verborgenen Gedankenanstöße zwischen den Zeilen, die dem geneigten Krimikonsumenten einiges an Eigeninitiative abverlangen, entwickelt sich nach und nach eine suggestive Spannung, die vielleicht nicht das sein mag, was sich viele erhofft hatten, die aber dennoch große Wirkung entfaltet – einiges ist nicht so wie es scheint, manchmal möchte man Olav die Worte „Tu es nicht“ ins Gesicht schreien und an anderer Stelle wiederum kommt es genauso wie man es befürchtet hatte. Dennoch steigt die Spannungskurve mit Voranschreiten der Ereignisse merklich an und arbeitet auf die Klimax hin – ein von Jo Nesbø außerordentlich gut inszenierter Teil des Buches. Und auch das Finale ist ernüchternd und befriedigend zugleich, lässt Raum für Spekulationen während es einige Fragen unabänderlich beantwortet.
Abschließend widmen wir uns der noch offenen Frage nach der Angemessenheit der Seitenanzahl und diesbezüglich darf ich feierlich verkünden: Ja, so wenig Papier kann dem Genre Thriller definitiv gerecht werden und „Blood On Snow“ ist spannender als so mancher dickbäuchige Wälzer, der im Regal imposant und in der Hand nur mehr öde wirkt.

Fazit

Möglich, dass einige Fans der Harry-Hole-Reihe in „Blood On Snow“ nicht das gefunden haben, was sie sich erhofft und gesucht hatten, schließlich wachsen und spezifizieren sich Erwartungen, je besser man sich mit einer Materie auskennt. Diese Problematik hatte ich als Nesbø-Debütant selbstverständlich nicht, kann aber sagen, dass mich das vorliegende Buch extremst neugierig auf das anderweitige Schaffen des Autors gemacht hat. Gerade die trotz der Kürze geschaffene Intensität und die Fähigkeit des Norwegers, die Phantasie des Lesers auf Hochtouren zu bringen, haben meiner Meinung nach außerordentliche Beweiskraft für die Tatsache, dass hier einer der ganz talentierten Schreiberlinge am Werk war, der nicht eines Holzhammers bedarf, um seine Kunst möglichst in mundgerechten Häppchen an den Mann zu bringen. „Blood On Snow“ ist zwar keinesfalls DAS große Meisterwerk genrespezifischer Novellen, doch ist es eine der besten, die ich jemals gelesen habe. Ich erinnere mich besonders an die „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“-Sammlung von Stephen King, von der ich überwiegend maßlos enttäuscht war.
Für mich steht bereits jetzt fest, dass ich auch die kommenden beiden Teile der Serie lesen werde – meine Neugierde diesbezüglich ist definitiv geschürt und geht sogar so weit, dass ich mit dem Gedanken spiele, die deutsche Ausgabe von „Blood On Snow“ auch noch alsbald zu lesen, nur um sicherzugehen, dass ich keinen versteckten Denkanstoß übersehen habe. So ist das, wenn man süchtig ist, und ich bin sicher, dass Jo Nesbø dank dieses sehr gelungenen Appetizers auch zukünftig auf meiner Liste konsumierter Rauschmittel stehen wird.
Wessen Lesevergnügen unabdingbar davon abhängt, dass er möglichst viele, auch grausame, blutige, Details, Gefühle, Situationen und Lösungen formschön drapiert serviert bekommt (auch ich bin beispielsweise leidenschaftlicher Verfechter von geschlossenen Enden), der sollte den Kauf von „Blood On Snow“ eventuell noch einmal überdenken, schließlich sind 12 britische Pfund nicht gerade ein Pappenstiel für ein Taschenbuch, welches man bequem an einem Abend auslesen kann. Wer sich jedoch darauf einlassen kann, den Inhalt komprimiert und zur eigenen Weiterverarbeitung präsentiert zu bekommen, dem sei Jo Nesbøs Werk guten Gewissens ans Herz gelegt, obschon auch ich mir, so zufrieden ich nach dem Lesen auch sein mag, an einigen wenigen Stellen einen Hauch mehr Klarheit gewünscht hätte. Doch wer weiß, vielleicht bekommt man diese ja im nächsten Teil? Und selbst wenn nicht, bleibt die irgendwie erfreuliche Erkenntnis, dass ich schon lange nicht mehr so viel über ein Buch und dessen Ausgang nachgedacht habe wie im Falle von „Blood On Snow“ – und das ohne einen Funken Verbitterung.

Mein Dank gilt Blogg Dein Buch und dem Verlag Penguin Random House UK, die mir das Rezensions-Exemplar kostenlos zur Verfügung gestellt haben.

Blood On Snow - JO NESBØ

8

Spannung

8.0/10

Protagonist

8.0/10

Story

8.0/10

PRO

  • Ich-Perspektive eines Killers
  • Regt zum Weiterdenken an
  • Kurzweilige Unterhaltung

CONTRA

  • Einige offene Fragen
  • Eher Novelle als Roman

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