DARTS Special: Vom Pub zum Publikum – A little history of Darts

Bevor A und O sich auf ihrem ruhmreichen Weg über sämtliche Bühnen der PDC mit Lorbeerkränzen schmücken, lohnt sich der Blick auf Gewesenes. Denn auch die Zukunft des Dartsports wäre nichts ohne seine Vergangenheit – im Folgenden also ein kleiner Blick zurück auf die Anfänge des inzwischen weltweit populären Spiels.

Treble Mammoth

Nichts Genaues weiß man nicht über den definitiven Darts-Ursprung. Historiker und solche, die es sein wollen, mutmaßen hier und dort, dass sich wohl bereits mehrere hundert Jahre vor Christi Geburt einige Menschlein einen Spaß daraus machten, Wurfgeschosse durch Armeskraft auf feststehende Ziele zu spedieren. Wenn wir aber im damaligen Schmissobjekt Ähnlichkeiten zum heutigen Steeldart suchen und nicht einmal arg penibel sind, müssen wir feststellen, dass ein Trainings-Lanzenwurf auf an Pfählen festgezurrtes sklavisches Volk als legitimer Vorgänger des kompetitiven Spiels ausscheidet. Ebenso jene noch steilere These, dass schon unsere noch viel früheren Vorfahren, ihres Zeichens Höhlenbewohner und Mammuterleger, mit viel Akkuratesse spitze Steine, ohne Flights wohlgemerkt, nach allerlei als essbar deklariertem Grillgut warfen und dabei einen tierischen Sportsgeist entwickelten… naja, sie hinkt!

Gehen wir also nicht gar so weit auf dem Zeitstrahl zurück und halten am Beginn des 20. Jahrhunderts ein – auf einem Eiland der nördlichen Hemisphäre, gelegen im Atlantik und nur einen Ärmelkanal getrennt vom großen europäischen Kontinent.
Wir befinden uns im Vereinigten Königreich, genauer in dessen englischen Teil. Auch hier hält der technische Fortschritt fleißig Einzug – Kutschen werden eingemottet, man fährt jetzt motorisiert, arbeitet in Fabriken an immer komplexeren Maschinen, zieht vom Land in die immer größer werdenden Städte… und was tut der Mensch nach vollbrachtem Tagwerk? Er findet den Weg in den Pub, an den Tresen des Vertrauens, trifft sich mit seinesgleichen auf ein, zwei oder gar viel mehr Pint, vergisst den alltäglichen buckligen Trott für einige Momente und ja – auf der Insel findet sich in jenen Etablissements auch schon immer jemand, der für ein Spielchen bereit.

Und so sieht man sie vielerorts an den patinierten Wänden der Kaschemmen prangen… aus Ulmen- oder auch Pappelholz gefertigte Scheiben mit einer seltsam anmutenden, weil augenscheinlich wahllosen Anordnung von Zahlensegmenten, auf welche der mehr oder minder alkoholisierte Feierabendbegeher per Armschwung drei hölzerne und mit Metallspitze und Federn versehene Pfeile feuert, um am Ende des arbeitsreichen Tages seine Mitstreiter möglichst gekonnt in den Senkel zu stellen.
Manch ahnungsloser Zeitgenosse weist diesem Kneipensport fälschlicherweise den Charakter eines Glücksspiels zu, wird doch auch emsig darauf gewettet.
So trug es sich zu, im Jahre 1908, dass Jim Garside, der Gastwirt des Adelphi Inn, welches heute leider nicht mehr existiert, vor den Kadi der Stadt Leeds zitiert wurde, weil in seinem Schankhaus angeblich illegale Wettspiele stattfanden, bei denen weniger das Können der Teilnehmenden sondern vielmehr Fortune über den Ausgang derselben entschied.
Mr. Garside traf dieser Vorwurf nicht unvorbereitet, hatte er doch zum Beweis des Gegenteils gleich den besten Darts- und Dominospieler der Stadt namens William „Bigfoot“ Annakin samt Yorkshire Board mit in den Saal gebracht, welcher der Aufforderung der Richter, auf einige bestimmte Zahlen zu werfen, insofern nachkam, als dass er diese ohne jeden Fehlwurf traf und somit eindrucksvoll demonstrierte, dass es sich hierbei mitnichten um einen Glücksmoment handelte – ergo: ein Freispruch erster Klasse für den Sport!

Vom Pub zum Publikum

KneipendartDer Weg vom volumen(hoch)prozentigen Tavernenturnier bishin zu immens gut besuchten Meisterschaftsveranstaltungen zog sich noch eine ganze Strecke. Fundament dafür, dass Darts nicht mehr nur mit Alkoholika und anderen Freizeitvergnügen in Verbindung gebracht werden sollte, war die Gründung der National Darts Association im Jahre 1924, unter deren Banner in den Folgejahren zunächst die ersten Meisterschaften des Großraumes London (mit ca. 1000 Teilnehmern) und später dann überregionale Wettbewerbe mit knapp 300000 sportlich Beteiligten ausgetragen wurden. Darts fand so seinen festen Platz in der englischen Gesellschaft und dies schichtenübergreifend.

Nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr der Sport einen Popularitätseinbruch, welcher bis in die Mitte der 1960er Jahre andauern sollte. Neuen Aufwind bekam Darts durch die Einführung eines regionalen Ligasystems und, nicht ganz unwesentlich, durch den Fortschritt in der Produktion des Spielgeräts – dem Wechsel von Messing (Brass) auf Wolfram (Tungsten) Barrels. Durch die höhere Materialdichte war die Fertigung schlankerer, aber dennoch gleich schwerer Wurfkörper möglich – eine Revolution für alle ambitionierten Spieler.
Mit den Averages stieg auch wieder die allgemeine Begeisterung für den Sport, der einen weiteren Schub erfuhr mit der Gründung der British Darts Organisation (BDO) durch Olly Croft im Jahre 1973. Durch eine Neustrukturierung der Counties entstanden neue Ligen, und die Turniere genossen wieder einen größeren Andrang von Teilnehmern wie auch Zuschauern. Dieser kleine, aber feine Hype gelang nicht zuletzt durch das gezielte Anwerben von Sponsoren.

Der finale Schritt hinaus aus der Kneipe und hinauf auf die großen Bühnen wurde durch eine weitere technische Neuerung möglich gemacht. War doch bislang eine Fernseh-Berichterstattung mit einer Kamera-Totalen nur wenig attraktiv für das Auge des daheimgebliebenen Publikums, so bot die Einführung des Split Screens (geteilter Bildschirm) Anfang der 1970er Jahre nun auch televisionär die komfortable Gelegenheit, den immer professioneller werdenden Dartsport in die Wohnzimmer zu transportieren.

So konnte nun auch die allererste Weltmeisterschaft 1978 per Bildersturmmaschine bis an den Couchsessel übertragen werden – dies gar von der großen BBC. Die ersten Stars dieses Sports waren geboren, die ihre heute aufgestellten Rekorde morgen schon wieder brachen, um übermorgen gleichermaßen anderweitig übertroffen zu werden und die nicht nur von der enormen Begeisterung des gemeinen Zuschauers sondern auch mit massiven Preisgeldern überschüttet wurden.

What goes up must come down…

…und so erlebte die neue, schöne Dartswelt Mitte der 1980er Jahre einen erneuten Ein-, welcher zu einem weiteren heftigen Umbruch führen sollte.
Als Auslöser sehen manche Experten und Darts-Historiker den TV-Sketch einer britischen Comedyshow, der zwei Dartprofis persifliert, die Double Whiskey und Single Malt einer Treble Twenty vorziehen.
Mitnichten eine allzu große Überspitzung – denn zu dieser Zeit waren Alkoholgenuss und Zigarettenkonsum während einer Partie nicht nur toleriert sondern Gang und Gäbe.
Die explizite Zurschaustellung des dickbäuchigen, ungepflegten Schwitzfingers, der damit eher ein Pint hebt und den Dartpfeil nur so nebenher auf die Scheibe feuert, bekommt dem ansonsten höchst professionellen Aufzug dieser Sportart überhaupt nicht.
Ob dies nun letztendlich der auslösende oder maßgebende Faktor für ein abflauendes Interesse der Bevölkerung war, sei dahingestellt. Jedenfalls lässt sich jene Darstellung wohl kaum als dem Image zuträglich beschreiben.
Zudem fühlten sich die besserverdienenden Spieler aus den Reihen der BDO von dieser nurmehr mäßig angemessen repräsentiert. Sie monierten fehlende neue Sponsoren und das Dasein als immer noch sportliche Randerscheinung in der TV-Landschaft.

So fand sich eines fieswettrigen Januartages im Jahre 1992 eine Auslese von 16 Professionellen, die Geld- und Popularitätseinbußen nicht mehr hinnehmen wollend, zusammen und beschloss, dem gefühlten Stillstand des Verbandes zu trotzen, unter ihnen auch Rekordweltmeister Phil „The Power“ Taylor – das World Darts Council, heute besser bekannt als die Professional Darts Corporation (PDC) ward gegründet und der noch heute viel zitierte „Darts Split“ vollzogen.

Fortan gingen beide Verbände nebst angeschlossener Sportler getrennte, wenn auch ähnliche Wege, und die mal mehr, mal minder friedliche Koexistenz hält bis heute an, wobei es der PDC zu attestieren gilt, ihre Vorhaben in Sachen Ausstrahlungsbreite, Sponsorenangeln und Preisgeldmaximierung (mit drei bis vier Legs Vorsprung gegenüber der BDO) annähernd perfekt umgesetzt zu haben.

So erfreut sich Darts heute nicht nur in good ol‘ Britain einer großen und hoffentlich nachhaltigen Begeisterung, sondern erobert Turnier für Turnier und Wurf für Wurf neue Herzen auf der ganzen Welt.

Dem interessierten Leser sei zum guten Ende dieses historischen Ausflugs die Webpräsenz des Patrick Chaplin, dem bislang einzigen Professor für Darts, ans sportbegeisterte Herz gelegt. Wer sich im Englischen einigermaßen zuhause fühlt, findet dort Wort- und Geistreiches aus der Scheibenwelt.

Game on!

[hupso]



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