PDC European Darts Trophy Mülheim 2015 – Pfeile werfen ist supergeil!

Die PDC European Darts Trophy 2015 in Mülheim war für uns, den Anti und die Omni, die erste Veranstaltung dieser Art, die wir als Besucher miterleben durften. Entsprechend viele Eindrücke haben wir in diesen drei erlebnisreichen Tagen gesammelt, die es nun im Anschluss zu sortieren, gliedern und schließlich zu virtuellem Papier zu bringen galt. Wir haben uns diesbezüglich dazu entschieden, uns nicht nur mit dem eigentlichen Spielgeschehen auf der Bühne zu befassen, sondern das Event in Gänze, sprich auch all das Drumherum, was zu einem solchen Wochenende dazugehört, in diesem unseren Bericht zu beleuchten, was, wie sich am Ende des Schreibprozesses herausstellen sollte, der Worte nicht gerade wenig umfasste. Das Inhaltsverzeichnis soll helfen, den vielleicht nicht ganz so umfeldaffinen Leser schnell zum Ziel zu führen. Dennoch hoffen wir natürlich, dass es den einen oder anderen Interessierten gibt, vielleicht gerade unter Neu-Darts-Fans, der sich unseren Artikel vollumfänglich zu Gemüte führt. In diesem Sinne, Game On!

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Einmal im Londoner Ally Pally diese unfassbare Atmosphäre, welche einem bereits beim bloßen Zuschauen am TV-Gerät die Gänsehaut auf die Arme treibt, tief in sich aufsaugen und live erleben. Einmal mitfiebern, -leiden und sich freuen mit denjenigen Herren, die in London um die Sid Waddell Trophy kompetieren. Einmal gemeinsam mit der Armada frenetisch jubelnder Stahlzeloten das 180-Schild hissen oder gar ein perfektes Spiel gebührend würdigen. Einmal zu lange nachgedacht – und sämtliche Tickets für die William Hill World Darts Championship 2015/16 waren bereits kurz nach Vorverkaufsstart vergriffen. Verdammt…

A&O 180Dennoch verspürten der A und die O das dringende Bedürfnis, zeitnah einem pfeilschnellen Live-Event beizuwohnen, welches es tunlichst zu befriedigen galt: Zum einen schürten die eigenen Profiambitionen (diese könnt ihr übrigens hier verfolgen) keinerlei Hoffnung darauf, in näherer, und auch mittelferner, Zukunft selbst, nach einem möglichst heroischen Walk-On versteht sich, auf der Bühne zu stehen, weswegen eine Lehrstunde definitiv nicht schaden konnte, und zum anderen machte die vielfach am Flimmerkasten rezipierte Hochstimmung in den Reihen der Zuschauer schlichtweg unbändige Lust darauf, ein Teil des großen Ganzen zu sein. Und so beschlossen wir, die diesjährige Pro-Tour zu besuchen und entschieden uns aus dem unspektakulären Grund der günstigsten Entfernung zum antiomnischen Hauptquartier für die European Darts Trophy 2015 in Mülheim an der Ruhr.

Da wir auch in diesem Falle für All-Inclusive-Pakete, Early-Access-Tickets und sonstigen, durchaus erstrebenswerten, Schnickschnack zu kurzentschlossen waren, sah unsere Wochenendplanung folgendermaßen aus: Am Freitag würden wir uns die volle Tagesdröhnung an Darts und Alkohol geben und die Qualifikanten der 1. Runde bestaunen. Nach einer Übernachtung in fußläufiger Austragungsortnähe würden wir während der samstägigen Afternoon-Session die ersten gesetzten Spieler bewundern. Und schließlich, nach einer kurativen Sichtung des in unserer Abwesenheit haushütenden Katers und geruhsamer Erholung im höchsteigenen Schlafgemach würden wir am Sonntag zum finalen Abend in die RWE-Sporthalle zurückkehren, in der Hoffnung, nicht alle Top-Sportler hätten sich bis dahin dank einer unerwarteten Niederlage aus dem Tableau verabschiedet.

Wie es uns bei unserer Premiere als Zuschauer bei einem Live-Event ergangen ist, was definitiv supergeil war und was vielleicht auch nicht ganz so berühmt, möchten wir nun hier im direkten Anschluss mit euch teilen.

Mülheim – The Place to be… nicht mal begraben

Deserted Muelheim

Gewiss verbindet die meisten Einwohner zu ihrer Heimat eine Form von Liebe (so sollte es zumindest idealerweise sein). Eine ganz persönliche Zuneigung, die einen Dinge sehen lässt, die Außenstehende unfähig sind zu erblicken und begreifen. Und verehrte Mülheimer, ich bin sicher, auch euch fallen tausende von subjektiven, sehr guten Gründen ein, weshalb eure Stadt ganz wunderprächtig ist, und bestimmt gibt es ein Gros an entzückenden Fleckchen zu entdecken, die dem Durchreisenden auf den ersten Blick verborgen bleiben. Nichtsdestotrotz nehme ich mir an dieser Stelle die Freiheit heraus, meinen höchsteigenen, und fürwahr oberflächlichen, Eindruck der ausgezeichneten Ruhrmetropole kundzutun. Dafür greife ich nicht sonderlich tief ins wortvirtuose Trickkästchen, sondern biedere mich, nach einem kurzen Brainstorming, völlig klischeebehaftet der Thematik phrasendreschenderweise an – präziser könnten meine eigenen Worte Gesehenes und Erlebtes nämlich auch nicht bebildern: In Mülheim liegt der Hund begraben, während sich auf bereits nachmittäglich hochgeklappten Bürgersteigen Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, ein freundschaftliches, aber bestimmtes Schlaflied anstimmend. Wenige Augenblicke und eine Straße weiter kann man jene possierlichen Tierchen tot über einem Zaun hängen sehen. Mögliche Ursache dafür könnte zum einen ein gemeinschaftlich begangener Suizid sein, schließlich will man ja auch mal etwas erleben, oder aber, und dies wäre mein präferierter Vorschlag, die beiden Freunde sind beim Versuch an einem Freitag, lange noch vor Geisterstunde, auf die Schnelle etwas Warmes zu Essen zu finden oder aber wenigstens am darauffolgenden Morgen eine für ein stattliches Frühstück geeignete Destination aufzutun, kläglichst verhungert. Ja, eine traurige Geschichte, die sich jedoch vorzüglich in das, auf unsere idyll- und naturverwöhnten Augen zumindest so wirkende, graue und ungepflegte Stadtbild einfügt.

Doch wo Schatten ist, da ward auch Licht, und so hat Mülheim zumindest für den ortsunkundigen Autofahrer, gedanklich, mit freundlicher Unterstützung des „Spiel mir das Lied vom Tod“-Soundtracks, begleitet von „Once Upon A Time In The West – Man With The Harmonica“, einiges Positives zu bieten: In keiner mir bis dato bekannten vergleichbar großen Stadt kann man des Abends derart ungeniert gleich vier Fahrspuren wechseln, um noch auf den rechten Weg (hinaus aus dem Ort, selbstredend) zu kommen. Und auch die Möglichkeit, direkt am Austragungsort der Darts Trophy einen Parkplatz zu bekommen, obschon 80% der erwarteten Zuschauer bereits eingetroffen sind, ist ein klares Plus. Daumen hoch dafür, Mülheim (Im Übrigen eine gute Gelegenheit zu erwähnen, dass es grundsätzlich eine feine Sache ist, dass man sich für die Pro-Tour-Events der PDC überwiegend nicht die Machete schwingend durch den Großstadtdschungel schlagen muss, sondern der gemeine Fan für die Dauer eines Wochenendes quasi das Zepter einer medium monumentalen Metropole an sich reißt.).

Organisatorisches – von A wie Ausziehn bis Z wie Zigarettenpause

Eine dreitägige Veranstaltung solchen Ausmaßes will sowohl von den Initiatoren als auch seitens der Besucher vollumfänglich durchdacht und geplant sein. Entsprechend gilt es an vielerlei Fronten Schlachten auszutragen, um am Ende eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Veranstaltung auf die Beine gestellt zu haben. Leibliches Wohlbefinden, Sicherheit, reibungslose Abläufe etc., nichts davon ergibt sich von allein, weswegen all jene Faktoren von uns im nun Folgenden unter die Lupe genommen werden sollen.

Du kommst hier net rein

Eine für den zahlenden Zuschauer außerordentlich unerlässliche Frage lautet: Was ziehe ich bloß an? Die PDC leistet diesbezüglich Entscheidungshilfe, indem sie mittels ihrer AGB das Tragen jedweder Fußball-Fanbekleidung untersagt (vermutlich um, besonders im Ruhrpott nicht allzu unwahrscheinliche, Vereinsrivalitäten, deren Aggressionspotential sich proportional zum Alkoholpegel und antiproportional zum Intelligenzquotienten verhält, möglichst im Keim zu ersticken). Ausnahmen dieser Regel gibt es keine: dem pöbelndem Proll-Vokuhila wird sein Schal ebenso konfisziert wie dem 6-jährigen Bub sein geliebtes Trikot – konsequent und überwiegend durchaus sinnig (fürwahr, Testosteron + Bier + der falsche Bundesligaverein = Auf’s Maul), im Falle des unschuldigen Vorschulkindes meiner Meinung nach überzogen, wusste er doch gar nicht so recht wie ihm geschieht.

Sei es drum, Regeln sind da, um sie im Sinne eines reibungslosen und spaßbringenden Ablaufs einer derart feuchtfröhlichen Veranstaltung einzuhalten, und so verzichten der A und die O nicht nur auf fesche BVB-Klamottage, sondern auch auf sämtliche weitere immens nützliche verbotene Gegenstände, wie etwa Wunderkerzen, Waffen, Sperrgut und Tiere. Stattdessen lassen sie sich von shirtinator.de* außerordentlich kleidsame und werbeträchtige Nachtgeburt-Shirts drucken und eigens aus dem royalen Britannien eine wohlklingende Narrenkappe in Schottlandfarben einfliegen, um Peter Wright und seine stattlichen Landsmannen gebührend anfeuern zu können.

Access Denied Dartjesus with scottish jester's hatWir waren also sowas von bereit, der schicken Security vor den Pforten der RWE-Sporthalle zum ersten Mal gegenüberzutreten, wohlglaubend, völlig statutenkonform ausgestattet zu sein – und wurden mit den Worten „Tut mir leid, dass ich jetzt der böse Spielverderber sein muss, aber die Mütze müsst ihr zurück zum Auto bringen, die Glöckchen stören die Sportler während des Werfens“ herzlichst empfangen. Eine kurze Vision legte sich auf meine Netzhaut: Eine sowohl an den Biertischen als auch auf der Tribüne vollbesetzte Halle, in Totenstille und gespannte Andacht getaucht, während auf der Bühne ein vollkommen in sich gekehrter Snakebite meditativ seine Pfeile wirft. Plötzlich, eine unbedachte Kopfbewegung meinerseits und die Halle wird erfüllt vom schallenden Lärm meiner dröhnenden Narrenglöckchen. Aller Augen richten sich anklagend auf mich, während der bunte Mann im Scheinwerferlicht verlautbaren lässt, dass er bei diesem Krach unmöglich arbeiten könne… Dann hatte mich die Realität auch schon wieder. Entgeistert erklärten wir, dass unser Auto am äußersten Ende des AdWs stünde, und wir unsere plakative Schottland-Sympathie dann wohl direkt vor Ort in den Sammelbehälter für Verbotenes (ja, leider ein Synonym für Mülleimer) werfen müssten. Und dann passierte etwas, was mir in einem solchen Ausmaß in all den vielen Jahren auf Konzerten und Festivals und dem damit verbundenen Umgang mit Sicherheitspersonal noch niemals untergekommen ist: Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft at its best! Die zuständige Behörde überlegte kurz, befand den Hut als zu wertvoll, um sein Dasein zukünftig in Ablage R zu fristen und nahm das gute Stück kurzer Hand an sich. „Ich bewahre ihn auf, sucht mich, bevor ihr geht, und ihr bekommt das corpus delicti unversehrt zurück!“ So, oder zumindest sinngemäß waren die Worte des Anzugträgers, denen wir zu diesem Zeitpunkt doch relativ kritisch gegenüberstanden, uns aber dennoch in unser Schicksal ergaben.

Ganz ohne Glöckchen, schnief, gewährte man uns nun problemlos (nach üblichem Abtasten und ausgiebiger Tascheninspektion) Einlass. Dazu wurde das mitgeführte Online-Ticket höchst fortschrittlich gescannt und man selbst im Anschluss mit einem bunten Bändchen versehen, dessen Farbe den Grad der Wichtigkeit der eigenen Person widerspiegelte und sich von Tag zu Tag ändern sollte. Während am Freitag die Halle noch überwiegend leer blieb und um einen Passierschein bittende Personen eher vereinzelt auftraten, hatte das Personal sowohl am Samstag als auch am Sonnabend mit ganz anderen Besucherströmen zu kämpfen – dennoch blieb alles vollkommen entspannt. Erstaunlich eigentlich, wo doch alle Besucher durch eine einzige Öffnung der Personenkontrolle entgegenstoben.

Lass mich durch, ich bin Security

Während das, zunächst als durchaus sittsam zu erachtende, Verhalten der zahlenden Gäste mit rapide ansteigendem Alkoholausschank erwartungsgemäß in Oktoberfeststimmung und entsprechend ausgelassene Manieren umschlug, blieb das stattliche Aufgebot an Security über die Dauer des Wochenendes außerordentlich professionell und definitiv erwähnenswert höflich, wenn auch streng in der immerwährenden Forderung, die Regeln einzuhalten. Wer beispielsweise wider des Bittens der Veranstalter einen Fuß auf seine Bierbank setzte, konnte sicher sein, im nächsten Moment einen in schwarz gekleideten Mann neben sich stehen zu haben, welcher die Missetat mit freundlicher Ansprache anprangerte. Gleiches galt für rhythmisches Schlagen auf den Tisch, Stehen auf dem Gang, das verstohlene Nippen an der stylischen E-Zigarette (was wir Raucher der alten Schule nur unterstützen können, um Neid und ausufernden Entzugserscheinungen vorzubeugen) oder das situationsbedingt unangebrachte Anstimmen einer mehr oder minder wohlklingenden Melodei. Nicht minder aufmerksam – und höflich – jedoch waren die (übrigens externen und somit nicht PDC-eigenen) Herren dann, wenn es darum ging zu deeskalieren oder einfach mal bei denjenigen nach dem Rechten zu sehen, die ihre Alkoholaufnahmekapazität bereits am frühen Nachmittag überschätzt hatten.

Für die endgültige Berufung in den Olymp der echt kuhlen (ja, ich schreibe das so, IMMER) Leute bedurfte es dann noch einer nicht unerheblichen Kleinigkeit: Der Rückgabe des heiligen Gralshutes. Im Laufe des Wochenendes begegnete uns betreffender Sicherheitsbeauftragter des Öfteren, und jedes Mal hatte er einen freundlichen Gruß auf den Lippen und mein Glockenspiel im Hinterkopf – er hatte uns wirklich nicht vergessen, und entsprechend bekamen wir die zwar nicht unbedingt teure, dafür aber umso lieb gewonnenere Importware am Sonntag unversehrt und absolut problemlos zurück. Danke dafür!

Oben rein und unten wieder raus

Obschon der Dartsport in den letzten Jahren viel dagegen unternommen hat, das angestaubte Image des alkoholseligen Kneipenvergnügens abzuschütteln, legt das geneigte Publikum besonderen Wert auf eben jene Tugenden. Und da der Gast bekanntlich König ist, fehlt es in Mülheim an diesem Septemberwochenende an einem ganz gewiss nicht: Bierstände. Bereits vor den geheiligten Hallen sorgte ein Schankwagen für ausgewogene Ernährung, während sowohl in Merchandise-Nähe als auch im überdachten, üppigen Raucherbereich Geld in flüssiges Gold investiert werden konnte. Das Theken-Herzstück allerdings befand sich gegenüber der Bühne am anderen Ende des Hallenparketts und trotz mitunter großer Nachfrage gab es seltenst (wenn überhaupt) lange Wartezeiten. Wer sich mit dem hauseigenen Königspilsener nicht anfreunden konnte, musste mit Cola, Fanta oder Wasser Vorlieb nehmen, jeweils formschön gezapft in Pfandbecher (2€), bedruckt mit den Konterfeis diverser Spielergrößen wie beispielsweise Phil Taylor oder Adrian Lewis.

Während die Frage nach dem Für und Wider des ausgeschenkten Bieres durchaus erlaubt sein muss, bleibt hingegen die Tatsache, dass man hier an einem feuchtfröhlichen Abend definitiv arm werden konnte, unstrittig. 4,50€ für 0,5 Liter mit Geschmack, Wasser 3,50€ – da darf man auf den ersten Blick durchaus einmal schlucken. Aber: Ordentlich angeheitert wird es einem ohnehin irgendwann, egal und auch nüchtern betrachtet, nach kurzem Überdenken der Situation, stellt sich, zumindest im Rahmen der Möglichkeiten, ein, bezahlt man doch auf dem bereits zitierten Oktoberfest für die Mass mindestens 10 Euronen und auch auf dem Wacken oder vergleichbaren Festivals löscht man seinen Durst noch investitionsintensiver. Spaß kostet, egal wo man hinkommt. Da darf man für eine, wie hier angebotene, Currywurst mit Brötchen für vergleichsweise schmale 3,50€ schon mal laut „Hurra!“ schreien. [Anm.: Auch belegte Backwaren, Leckereien wie Nudelsalat oder namhafte Schokoriegel konnten käuflich erworben werden, allerdings nahmen wir dieses Angebot nicht in Anspruch und können entsprechend keine Aussage über diesbezügliche Preise tätigen.]

Dank, seitens der PDC, vorrausschauend in torkelfreundlichen Abständen aufgestellter Biertischgarnituren ward übrigens nicht nur die hochheilige Theke schnell und bequem zu erreichen, sondern auch die sanitären Anlagen, die trotz des über die Dauer der Veranstaltung wachsenden Besucheraufkommens überwiegend sauber waren (so man sie denn erreichte ohne auf dem Weg über den Hallenboden im verschütteten Bier kleben zu bleiben). Eines entzieht sich allerdings gänzlich meines Verständnisses: Warum mutet man dem armen Toilettenpersonal mit Migrationshintergrund tatsächlich zu, sich direkt hinter der großen Tür, wo Männlein nach links und Weiblein nach rechts abbogen, mit einem Pappteller platzieren zu müssen? Zum einen finde ich es für die Mitarbeiter beschämend, sich ein ums andere Mal von, mit Voranschreiten der Zeit sicher nicht nüchterner werdender, Laufkundschaft anquatschen zu lassen, und zum zweiten fühle auch ich persönlich ein gewisses Unbehagen, wenn ich beim siebten Gang des Abends zur Toilette dann kein Kleingeld mehr parat habe und wie ein skrupelloser Zechenpreller verschämt die Räumlichkeiten verlasse. Ich bin ganz sicher, dass man stupide mal allein gemessen am Getränke-Umsatz des Wochenendes das, vermutlich traurige, Gehalt betreffender Individuen hätte aufstocken und dafür auf ein solches Szenario hätte verzichten können. Oder wie seht ihr so etwas?

Saufen Junge! Ein Blick auf Publikum und Stimmung

Aus dem Bekanntenkreis hallen bezüglich der Fernsehübertragungen des antiomnischen Lieblingssports so einige O-Töne in meinen Gehörgängen wider, die sich nur allzu leicht zusammenfassen und auf den Punkt bringen lassen: „Darts? Diesen langweiligen Kram mit bierbäuchigen, alten Männern schaue ich mir im ganzen Leben nicht an!“ Die stetig steigenden Zuschauerquoten indes statuieren, dass es offensichtlich dennoch eine ganze Menge interessierter Individuen gibt. Doch wie würde das Publikum bei einer solchen Veranstaltung in Deutschland aussehen? Ließe es sich einfach kategorisieren? Fragen, die wir uns im Vorfeld unserer kleinen Reise durchaus gestellt haben und auf die wir in Mülheim eine glasklare Antwort bekamen: Den gemeinen Darts-Fan gibt es nicht. Obschon selbstverständlich einige anwesende Exemplare all jene plakativen Stereotype, die ein Außenstehender dem inneren Kreise nicht allzu wohlwollend zuteilt, großzügig bedientel, präsentierte sich das Auditorium an diesem Wochenende kunterbunt bezüglich Kleidung, Alter, Geschlecht und Bildungsstatus – Familien mit aufstrebenden kleinen MvGs, studentische Saufbruderschaften, Mädelsausflüglerinnen, Krawattenträger, Biker, zelebriertes Gutbürgertum – alle feierten (überwiegend) friedlich neben- und miteinander. Auch wenn hier und da Akzeptanz und Verständnis fehlte (so monierte etwa ein Pärchen den steten Fußballgesang während des Wartens auf Einlass aufgrund mangelnden Zusammenhangs), funktionierte die Koexistenz für die Dauer einer Session ganz vorzüglich. Und ehrlich: Leute, die sehr viel mehr trinken, als sie (und auch ihre zwangsläufig betroffenen Mitmenschen) vertragen und folglich sollten, gibt es überall, DAS ist nun wirklich kein Darts-Phänomen. Und hier tragen sie wenigstens mitunter noch lustige Kostüme!

Die gesammelte Konzerterfahrung hat mich einiges gelehrt. Mitunter auch etwas, was sich auf die besuchte Trophy übertragen lässt: Es ist nicht allein die Zahl an Zuschauern entscheidend dafür, ob gute Stimmung aufkommt oder nicht. Es ist vielmehr das Zusammenspiel zwischen Künstler und Publikum. Eine grausame Band etwa, wird nicht besser, wenn sich statt 20 Leuten gleich 200 von derer Talentfreiheit überzeugen, wohingegen eine mitreißende Darbietung auch von einer Handvoll Anwesender angemessen zelebriert werden kann – extrovertierte Interaktion ist das Zauberwort. Am Freitag-Nachmittag beispielsweise waren nur die vordersten Bierbänke besetzt, während die übrigen Garnituren wie auch die komplette Tribüne unbenutzt blieben, zum Finale am Sonntag hingegen schien die RWE-Sporthalle annähernd ausverkauft zu sein. Dennoch würde ich nicht sagen wollen, dass die Stimmung im Grundsatz mit wachsender Besucherzahl besser wurde, sondern an allen Tagen gleichermaßen gut gefeiert wurde (obschon es zugegebenermaßen bezüglich der Lautstärke und der daraus resultierenden Wahrnehmung sehr wohl einen Unterschied macht). Zum einen mag dies am unwahrscheinlich tollen Warm-Up, welches es am Anfang jeder der sechs Sessions gab, gelegen haben, bei welchem mit zwinkerndem Auge erklärt wurde, wie der gemeine Darts-Fan zu jubeln hat und vor allem wann. Zum anderen, größeren Teil jedoch ist die Stimmung Ernte dessen, was die Spieler auf der Bühne säen: Sprichst du mit dem Publikum, wird es dir antworten, egal ob du nun Michael van Gerwen, Terry Jenkins oder gar Mark Frost heißt. Kommt es hingegen zu einer Art dart’schem Super-GAU zwischen Mensur Suljović und Justin Pipe, die während des Matches in ihrem höchst eigenen kleinen Kosmos und im gegebenen Fall leider nur auf mittelprächtigem Niveau agieren (doch dazu an anderer Stelle mehr), wird es irgendwann stiller, und so manch einer beginnt aus tiefster Verzweiflung heraus, Einkaufszettel auf seinem Smartphone zu tippen, nachdem die Rettung der Welt vor einem Alien-Angriff kurz zuvor fehlgeschlagen war.

Natürlich gibt es bezüglich des beschriebenen Hexenspruchs, die Kommunikation eines Profis mit den anwesenden Schaulustigen betreffend, Ausnahmen, erfreulicherweise darf man sagen. Denn so honoriert das fachkundige Publikum vor allem eines: Herausragende Leistung, und zwar auch von demjenigen, der sich in Sachen Kriegsgebaren, respektive Gefühlsregungen im Allgemeinen, einer völligen Abstinenz verschworen hat und nicht einmal ein kurzes Winken in die große Runde der Erlebnishungrigen während des Walk-Ons zu seinem Repertoire zählt. Ja, auch James Wade hat Fans. Und warum? Weil er mitunter verdammt gut ist. Ein exquisiter Zeitpunkt, um an dieser Stelle einmal nicht nur die Besucher der Darts Trophy im Speziellen, sondern die Anhänger dieses Sportes auf der ganzen Welt zu loben: Wann immer sich ein Gegner aufbäumt und etwa gegen einen haushohen Favoriten festen Willen und hohe Scores zeigt, wird er frenetisch bejubelt, wie kurz zuvor noch sein überlegener Gegner. Das verlangt Respekt und machte auch einen großen Teil der summa summarum ganz wunderprächtigen Stimmung an diesem Wochenende in Mülheim aus. Stand up, if you love the darts, jawohl!

Oh Gary, Where Art Thou? Das Teilnehmerfeld

Obzwar es Mitte des Jahres während einer Fernsehübertragung kommentatorseitig noch hieß, Phil Taylor hätte für die Darts Trophy Mülheim gemeldet, machten wir uns keine allzu große Hoffnung, den Großmeister der Pfeile tatsächlich bei dieser Gelegenheit live zu sehen. Und so hielt sich unsere Enttäuschung, dank bester mentaler Vorbereitung, darüber in Grenzen, dass der Name des Rekordspielers schließlich nicht auf der Setzliste der 16 automatisch über die Pro-Tour-Order-of-Merit qualifizierten Teilnehmer auftauchte. Mit einem hingegen haben wir fest und leidenschaftlich gerechnet, nämlich dem Flying Scotsman Gary Anderson, dessen Initialen sich wenige Tage vor Veranstaltungsbeginn heimlich, still und leise unkommentiert vom Teilnehmerindex verabschiedete. Böse Zungen behaupteten hier und da, er besuche lieber einen Boxkampf. Doch warum auch immer der Schotte kurzfristig abgesagt hat: Außerordentlich schade, dass es ausgenommen seines Konterfeis auf diversen Pfandbechern nichts vom amtierenden Weltmeister an der Ruhr zu bestaunen gab. Dennoch war bis auf genannte Ausnahmen die globale Elite in Gänze vertreten, was folgende Aufstellung derjenigen 16 Mannen nach sich zog, welche erst am Samstag in der zweiten Turnierrunde ins Geschehen eingreifen würden:

  1. Michael van Gerwen
  2. gary anderson not thereMichael Smith
  3. James Wade
  4. Adrian Lewis
  5. Peter Wright
  6. Ian White
  7. Brendan Dolan
  8. Dave Chisnall
  9. Justin Pipe
  10. Mervyn King
  11. Simon Whitlock
  12. Kim Huybrechts
  13. Terry Jenkins
  14. Robert Thornton
  15. Vincent van der Voort
  16. Benito van de Pas

Weiterhin gesellten sich zum Teilnehmerfeld die 20 Gewinner des UK-Qualifiers, namentlich Chris Dobey, Stephen Bunting, Gerwyn Price, Steve West, James Hubbard, Adam Hunt, Jamie Bain, Mark Barilli, Connie Finnan, James Wilson, Jason Lovett, Mark Frost, Andy Jenkins, Kevin Painter, Alan Norris, Daryl Gurney, Mark Dudbridge, Wes Newton, David Pallett, Darren Johnson. Dass sich u.a. Publikums-Liebling Stephen Bunting durchsetzen konnte, war zwar wenig überraschend, dennoch ein Grund zur allgemeinen Freude. Weniger Glück hingegen hatten Spieler wie Andrew Gilding, John Henderson und Andy Hamilton, mit denen man durchaus gerechnet hatte. Die kompletten Ergebnisse des englischen Vorentscheides könnt ihr hier einsehen.

Besonderes Augenmerk musste der Fan auch auf den European Qualifier legen, denn erst über jenes Auswahlturnier konnte Raymond van Barneveld sich den Walk-On auf der freitäglichen Bühne sichern. Der A und die O finden es ganz wunderprächtig, dass sich Barney, der bei den für die hiesige Order Of Merit relevanten Events nicht unbedingt vom Glück geküsst war in diesem Jahr, nicht zu schade war, den Gang durch die Vorrunden anzutreten und wir konnten seinen Auftritt kaum erwarten! Neben unserem Lieblingsholländer schafften es folgende Kollegen ebenfalls ins Hauptfeld: Krzysztof Ratajski, Rowby-John Rodriguez, Christian Kist, Cristo Reyes, Mensur Suljovic, Jan Dekker, Dirk van Duijvenbode. Interessierte haben die Möglichkeit, den von den Herren beschrittenen Weg an dieser Stelle nachzuvollziehen.

Last but noch least schlägt selbstverfreilich auch in unseren Herzen ein klein wenig Lokalkolorit, weswegen besonders die Ergebnisse des Host-Nation-Qualifiers mit immenser Spannung herbei gefiebert wurden. Würde Shorty Seyler es schaffen? Die Zyniker unter den Lesern werden behaupten, dies sei eine rhetorische Frage. Doch auch wenn die Antwort am Ende tatsächlich „Nein“ lautete, soll doch erwähnt werden, dass der sympathische Co-Moderator von Elmar Paulke während der Sport1-Übertragungen, ganz knapp in letzter Instanz scheiterte. Schade drum, wir hätten ihn wirklich gerne mal in Action gesehen. Don’t give up, Schleifstein! An seiner statt erreichten das Hauptfeld erwartungsgemäß Max Hopp und Jyhan Artut, sowie deren Kollegen Christian Soethe und Martin Schindler. Die kompletten Ergebnisse des Qualifiers stellt die PDC übrigens hier zur Verfügung.

Die Würfel waren gefallen, das Aufgebot an Profis bis auf wenige, überwiegend zu verschmerzende, Ausnahmen ganz nach unserem Geschmack und auch auf professionelle Stimmen durfte man sich freuen: Elmar Paulke würde die Matches ankündigen und mit Russ Bray sowie seinem nicht minder stimmgewaltigen Kollegen George Noble war die internationale Caller-Elite ebenfalls vor Ort. Die Spiele konnten beginnen!

Das Turnier

Mülheim hat 2015 in seiner Funktion als Austragungsort seitens der PDC gegenüber der Vergangenheit eine deutliche, und auch für den Zuschauer wahrnehmbare, Abstufung erfahren. Während die RWE-Sporthalle in den Jahren 2012 bis 2014 noch Schauplatz des hoch dotierten European Dart Championship Majors war, hat es im laufenden Annum nur mehr für die European Darts Trophy gereicht, die sich mit einem Preisgeld in Höhe von 115.000 £ (der Sieger erhält davon allein 25.000 £) nun in die Liste der „normalen“ European Tour Events einreiht. Somit wurde das Turnier nicht live im Fernsehen übertragen, was, neben der Abstinenz eines gewissen „The Power“, für das Publikum vor allem eines zu Folge hatte: Die selbst verfassten Botschaften auf der eigens zu diesem Zwecke blanken Rückseite der großzügig verteilten 180-Schilder mussten sich diesmal nicht der gestrengen Zensur der Security unterziehen. Doch nicht etwa weil es bei fehlenden TV-Kameras egal wäre, so jemand „Ohne Holland fahren wir zur EM“ enthusiastisch in die Höhe streckte, nein, viel besser, es gab schlicht und ergreifend keine Möglichkeit, das für den Dartfan so wichtige Utensil zu beschriften. Schade. Aber: Dies alles ward mitnichten die Schuld Mülheims. Zwar ist mir keine offizielle Verlautbarung darüber bekannt, warum das Major-Turnier der so wunderprächtigen Ruhr-Metropole den Rücken gekehrt hat, allerdings liegt doch die Vermutung mehr als nahe, dass die PDC mit den 2015 in Hasselt stattfindenden European Dart Championships ganz klar einen verständlichen Schritt in Richtung Eroberung des belgischen Marktes geht, um dort auf lange Sicht ähnliche Wellen wie in Deutschland und den Niederlanden schlagen zu können.

Wie nun auch immer die Gründe gelagert sein mochten, die European Darts Trophy war also kein Major mehr, sondern ein simples European Tour Event, was folgenden Ablauf nach sich zog: Gespielt wurde von der ersten Runde bis hin zum Finale im Modus Best Of 11 Legs im K.O.-System. Am Freitag traten die 32 Gewinner der drei Qualifikations-Turniere gegeneinander an. Am zweiten Tag griffen zum ersten Mal die Top 16 der Pro Tour Order Of Merit ein, indem ihnen jeweils einer der Sieger der 1. Runde zugelost wurde. Am Sonntag schließlich nahm die dritte Turnierrunde die komplette Afernoon-Session ein, während am Abend im Viertel-, Halb- und Finale der Trophy-Sieger ermittelt wurde.

Turniertag 1: Freitag

Im Gegensatz zu den meisten anderen Besuchern der European Darts Trophy 2015 nahmen der Anti und die Omni den ersten Turniertag in Gänze in ihren Erlebniskosmos auf, hatten sie sich doch extra einen Tag Urlaub zu diesem Zwecke genommen. Die auf dem für 18€ erworbenen Tagesticket angepriesene freie Platzwahl im bebiertischgarniturten Innenraum verdiente ihren Namen an diesem Tag besonders während der Nachmittagssession, war doch die Zuschauermenge recht überschaubar – nicht jeder kann oder mag sich für eine solche Veranstaltung extra Urlaub nehmen und auch nicht unbedingt jeder möchte sein armes Sitzfleisch schon für die weniger bekannten Spieler schinden. Das Tribünentagesticket zum Preis von 12€ nahm an diesem Tage übrigens entweder annähernd niemand wahr, oder aber die Veranstalter haben die Leute der Stimmung wegen nach unten geschickt. Die weiteren Kartenpreise gestalteten sich derart: Nachmittags-Session 5€ Tribüne, 8€ Innenraum, Abend-Session 10€ Tribüne und 14€ Innenraum. Die grundsätzlich schnell vergriffenen Early-Access-Karten waren für die Freitagspartien nicht verfügbar.

Freitag Afternoon Session

European Darts Trophy Mülheim 2015Ergebnisse Freitag AfternoonObschon sich, wie bereits erwähnt, sehr viele Zuschauer gegen den Besuch der das Turnier einläutenden Nachmittags-Session entschieden (oder auch aufgrund anderweitiger Verpflichtungen entscheiden mussten), hatten die Match-Ansetzungen besonders für den deutschsprachigen Fan schon einiges zu bieten, und auch der Rest des Teilnehmerfeldes las sich nicht derart schlecht, als hätten die Akteure es verdient, vor fast leerer Halle zu agieren. Das dachten sich wohl auch die anwesenden Ticketerwerber und machten gut gelaunt und höchstmotiviert Stimmung für mindestens zwei. Jyhan Artut European Darts Trophy 2015 MülheimImmerhin ging mit Jyhan Artut der beste Deutsche nach Max Hopp an den Start, welcher besonders beim diesjährigen World Cup of Darts in der spannenden Partie gegen Österreich große Nervenstärke an den Tag legte. Diese ward ihm jedoch an diesem Freitag leider nicht beschert, und so verlor er sein Match knapp und dennoch ein wenig überraschend gegen den Briten Jason Lovett. Sein damaliger Gegner aus besagtem Länderduell Rowby-John Rodriguez hingegen hatte mehr Glück und gewann seine Erstrundenpartie gegen den ebenfalls aus Großbritannien stammenden James Hubbard mehr als souverän und versprach für den weiteren Verlauf des Wochenendes die Präsentation einer außerordentlich guten Form. Mit Cristo Reyes fand sich zur ungefähren Session-Mitte dann noch ein weiterer Sportler ein, welcher selbst dem Gelegenheits-Dartanhänger ein Begriff sein dürfte, konnte doch der Spanier bei der vergangenen PDC-WM absolut unerwartet erst im Viertelfinale von Gary Anderson, dem späteren Weltmeister, gestoppt werden. Auch die erste Runde in Mülheim sollte für den schüchternen Südländer, der aufgrund seiner eingeschränkten Englischkenntnisse mehr Angst vor einem Interview als vor einem Match auf großer Bühne zu haben scheint, kein allzu großes Hindernis darstellen. Der Sieger der Herzen dieses Nachmittages jedoch sollte ein ganz anderer sein: Der Engländer Mark Frost. „Frosty the Throwman“ nämlich verstand sich mit Abstand am besten auf die Kommunikation mit den Zuschauern. Aussichtslos gegen seinen Landsmann Daryl Gurney zurückliegend, wandte er den so gefürchteten White-Wash ab, gewann sein erstes Leg und hatte dank einer kleinen selbstironischen Geste fortan die Anfeuerungsrufe auf seiner Seite. Obschon es am Schluss leider doch nur zu einer 2:6 Niederlage reichte, hallten die leidenschaftlichen „Frosty, Frosty“-Chöre selbst dann noch durch die Arena, als der Geschlagene die Bühne längst verlassen hatte. Als dann zu späterer Stunde – die Session und auch die Konzentration der Zuschauer neigte sich bereits dem Ende zu – The Throwman schmunzelnd auf einer der Bierbänke platznahm, verloren die Zuschauer die aktuellen Protagonisten am Oche aus den Augen und stimmten stattdessen ein heiteres „If you all love Frosty clap your hands“ an. Ja, so schön kann Darts selbst dann sein, wenn du als Verlierer aus dem Rampenlicht trittst.

Als weniger schön hingegen erwies sich die Tatsache, dass die Veranstalter während einiger Partien mit einigen technischen Tücken zu kämpfen hatten. So standen die Spieler schon einmal mitten im Wurf im Dunkeln. Es gab entsprechend einiges zu tun während der Pause.

Freitag Evening-Session

European Darts Trophy Mülheim 2015Ergebnisse Freitag EveningNachdem die direkt gegenüber der RWE-Sporthalle gelegene Döner-Bude Bekanntschaft mit so ziemlich jedem Besucher der ersten Session machen durfte (was in einigen Fällen zu einem außerordentlichen Drama werden sollte, da die Kombination aus zur Schau getragenem Proletentum, primitiver Aggression und Alkohol eine höchst ungesunde ist, was wiederum die armen Betreiber des kleinen Imbisses auf unhöflichste Weise feststellen mussten und dem Großteil an Kunden die Schamesröte ins Gesicht trieb), fanden sich zum abendlichen Schauspiel die alten Bekannten nebst einer erfreulich großen Anzahl von Neuankömmlingen auf den Bierbänken ein, um mit Raymond von Barneveld den ersten richtig großen Namen auf dem Tableau zu begrüßen. Nachdem der Niederländer in diesem Jahr mitunter recht durchwachsene Ergebnisse bei den großen Turnieren erzielte und, so wirkte es für außenstehende TV-Konsumenten wie mich, ein regelrechtes Motivationsloch durchschritt, gab ihm zuletzt der Gewinn der Hong Kong Darts Masters neues Selbstvertrauen, welches er in Mülheim positiv nutzen wollte. Die Auslosung bescherte ihm den deutschen Durchstarter (und neuerdings auch Cindy aus Marzahn-Bezwinger…) Max Hopp als Gegner, und so viel ist sicher: An diesen freitagabendlichen Fight werde ich mich noch sehr lange erinnern. Die Veranstalter nämlich hatten es während der Pause leider nicht geschafft, die Ursache für die wiederkehrenden Stromausfälle auszumachen, weswegen sowohl Barney als auch der Maximizer ständig im Dunkeln standen, während des Spieles sogar deshalb für eine ungeplante Unterbrechung die Bühne verlassen mussten. Doch das war nicht einmal das Schlimmste an dieser skurrilen Begegnung, die einen jubelnden Deutschen zum Sieger und einen zu Recht völlig entnervten Niederländer zum Verlierer kürte. Was war passiert? Nun, vorweg, ich finde es absolut verständlich, dass die Spieler der eigenen Nation vom Publikum phrenetisch angefeuert werden, und sicher kamen auch die „Ohne Holland fahr’n wir zur EM“-Chöre für einen alten Hasen wie den fünfmaligen PDC-Weltmeister nicht allzu überraschend. ABER: Dass die Zuschauer van Barneveld WÄHREND jedem einzelnem seiner Würfe ausbuhen, ohne dass dieser in irgendeiner Form provokantes Gebaren an den Tag gelegt hätte, fand ich ungeschönt gesagt unter aller Sau, und mit Fairness hatte das absolut gar nichts zu tun. Während diesem Aufeinandertreffen der Nationen habe ich mich wirklich geschämt, eine Deutsche zu sein. In diesem Ausmaß hat das einfach kein Dartsplayer verdient, denn immerhin geht es bei diesem Sport auch um Konzentration.

European Darts Trophy 2015 Mülheim Hopp vs van BarneveldAber es war nun einmal wie es war, und so konnte sich Max Hopp als einziger Host-Nation-Qualifier den Einzug in die nächste Runde erkämpfen. Sein Landsmann und Schleifstein-Bezwinger Christian Soethe nämlich bekam vom heuer immer stärker aufspielenden Mensur Suljović eine ordentliche zu-Null-Klatsche (DAS hätte Shorty sicher unterhaltsamer hinbekommen). Der extrem sympathisch wirkende Österreicher bewies, was ich persönlich bisher nur aus dem Flimmerkasten kannte: Er hat definitiv die Ruhe weg. Auch Stephen Bunting konnte den während TV-Übertragungen von ihm gewonnenen Eindruck absolut bekräftigen: Gottchen, ist dieser Mann putzig. Herrlich! Dennoch bereitete ihm der langärmelige Schotte Mark Barilli mehr Probleme als erwartet, was einen knappen und alles andere als souveränen 6:4 Sieg des Premier League-Teilnehmers nach sich zog, der zuletzt nicht mehr so recht an seine guten Leistungen vom Jahresbeginn anknüpfen konnte. Mit Voranschreiten der Stunden (und damit verbundenen Schmerzen im Sitzmuskel, ohja) setzte auch in dieser Evening-Session der Nachmittags-Effekt ein: Die Zuschauer wurden ruhiger. Zu ihrer Zerstreuung gab es neben erwähnten Lichtproblemen dann auch noch einen wunderbar lauten Feueralarm, der zwar unbegründet war, die roten Helfer jedoch nicht davon abhalten konnte, binnen kürzester Zeit mit mehreren Einsatzwagen die Halle zu umzingeln. Darüber hinaus hielt der Freitag keine weiteren Überraschungen parat.

2. Turniertag: Samstag

Während es am Vortag noch ein Leichtes gewesen war, die Security zu passieren, sein Ticket gegen ein formschönes Neon-Bändchen einzutauschen und sich dann eine Bank in vorderster Reihe zu suchen, gestaltete sich das Unterfangen an diesem zweiten Turniertag doch schon schwieriger: In gleich mehreren Reihen standen die Dartshungrigen bis hin zur Straße an, während sich in der Halle an diesem Nachmittag bereits die zweite und dritte Reihe von Biertischgarnituren mit Gutgelaunten, bunt Verkleideten und laut Singenden füllte, und auch auf der Tribüne nahmen nun zahlreiche Herrschaften Platz. Das verhieß beste Atmosphäre, ebenso wie die Match-Ansetzungen, sollten doch nun die Top 16 wie Michael van Gerwen und Publikumsliebling Peter Wright ins Geschehen eingreifen. Die Ticketpreise für den Samstag gestalteten sich wie folgt: Das Tagesticket gab es für 29,00€ (Tribüne) bzw. 41,00€ (Innenraum). Wer, wie auch der A und die O, nur einer der beiden Sessions beiwohnen konnte oder wollte, musste nicht ganz so tief in die Tasche greifen. Die Nachmittags-Session konnte man für 14,50€ von der Tribüne aus bestaunen, eine Biertischgarnitur gab es für 21,50€. Der Abend allein kostete 19,50€ respektive 26,50€. Wer sich eines der begehrten Early-Access-Tickets gesichert hatte, musste dafür 48,50€ aufwenden.

Samstag Afternoon-Session

European Darts Trophy Mülheim 2015 Samstag Afternoon Session ErgebnisseDie erste Session an diesem Samstag wurde, neben dem üblichen Prozedere des „Wir üben jetzt mal adäquat Singen, Klatschen und Walk-On“, von der vielversprechenden Ankündigung eingeläutet, dass die technischen Probleme des Vortages nun vollends behoben seien – begleitet von einem weiteren Ausfall der Scheinwerfer. Nun, zwar ward dieser lustige Spaß mit Ansage gar beängstigend vorhersehbar, doch ist der hochmotivierte Dartsfan diesbezüglich nicht allzu kritisch, weswegen Initiatoren und Publikum mit einem wohlwollenden Lacher bester Stimmung und in perfektes Licht gerückt (dafür von nun an ohne Nebelmaschine, die zeichnete sich nämlich, wie sich inzwischen herausgestellt hatte, am Vortag verantwortlich für außerplanmäßige Dunkelheit und heulende Sirenen), in den nachmittäglichen Pfeilhagel. Game on!

Bob Thornton European Darts Trophy Mülheim 2015Mit Brendan Dolan musste sich dann auch schon direkt zu Beginn der erste gesetzte Spieler von der mülheimischen Bühne verabschieden. Ob nun der Ire enttäuschter war über die recht knappe Niederlage, oder aber doch sein Kontrahent Cristo Reyes panischer ob der Tatsache, Elmar Paulke ein weiteres Siegerinterview in der so sehr gefürchteten englischen Sprache geben zu müssen, kann an dieser Stelle leider nicht abschließend geklärt werden. Putzig, dieser Spanier. Gleich darauf ließ zwar der Schotte Robert Thornton von seiner erstarkten Form, welche ihm kürzlich die Trophäe des PDC World Grand Prix bescherte, noch nicht allzu viel durchblicken, konnte sich aber dennoch gegen den Niederländer und seines Zeichens ehemaligen BDO-Weltmeister Christian Kist durchsetzen.

Mensur Suljovic European Darts Trophy Mülheim 2015Im Anschluss an The Thorn und dessen Walk-On zum gar wunderbaren Song „I’m Gonna Be (500 Miles)“ seiner Landsmänner The Proclaimers kam es zum von mir bereits erwähnten Super-GAU of Darts zwischen Mensur Suljović und Justin Pipe, welcher dank der höchst eigenen Art und Weise, wie jeder einzelne der involvierten Protagonisten seine Pfeile zu werfen pflegt, durchaus das Potential gehabt hätte, außerordentlich unterhaltsam zu werden, wenn – ja, wenn die beiden Bummelzüge einen Sahnetag, wie uns Shorty es vermutlich nennen würde, gehabt hätten. Hatten sie aber leider nicht, und so plätscherte das Match mit einem im unteren 90er Bereich ansässigen Average gemächlich über den Zeitraum einer knappen Stunde vor sich hin. Auf anfängliches Schmunzeln seitens der Zuschauer, welche so auf die Kameraführung reagierten, die zu Unterhaltungszwecken wohlwollend pip’sches Extrem-Yoga und Mensurs ausschlagende Extremitäten in Volltotale einfing, folgte die große Depression. Klartext: Es war langweilig, und zum ersten Mal entwickelte ich Verständnis dafür, dass besonders die sehr schnellen Darts-Player der Weltelite sowohl gegen den Österreicher als auch gegen den Briten mitunter Probleme haben, im eigenen Rhythmus zu bleiben. Am Ende dieser Begegnung der Dritten Art jedenfalls, setzte sich The Force in einem Schlagabtausch, der ausgeglichener kaum hätte sein können hauchdünn gegen den Wahlwiener und Sportkneipenbetreiber durch. Aller vorangegangener spitzzüngigen Bemerkungen zum Trotz sei erwähnt: Es ist absolut begeisternd, aktuell beobachten zu können, wie Suljović sich quasi wie im Rausch in eine nie geahnte Topform spielt und in Serie die erfolgreichsten Sportler seiner Zunft schlägt. Schade, dass Mülheim noch nicht Schauplatz dieses Spektakels werden durfte, aber so kann es definitiv weitergehen für die österreichische Nummer 1, besonders in Hinblick auf die immer näher rückende WM. Wir drücken dem Gentleman jedenfalls die Daumen!

Terry Jenkins European Darts Trophy Mülheim 2015Im Leben folgt, mit Glück zumindest, auf große Traurigkeit eine rettende Wonne – und so war es erfreulicherweise auch an diesem voranschreitenden Nachmittag bei der European Darts Trophy 2015, denn das vierte Match der Session war schlicht und ergreifend phantastisch: Der wahnsinnig sympathische Terry Jenkins, den ich unwahrscheinlich gerne als meinen putzigen Papi adoptieren würde, und Steve West, den unsereins vom Vortag gar nicht mehr so recht auf dem Schirm hatte, lieferten sich ein denkbar knappes Duell auf höchstem Niveau, bei welchem man, erstmals an diesem Tage, angemessen sein (nicht ganz neu) erworbenes Wissen über den korrekten Einsatz von Applaus und Gesang zur Schau stellen konnte. So waren alle wieder rechtzeitig wach, um Bullys Sieg zu bejubeln. Danke Terry, für dieses formidable Antidepressiva ohne Risiken und Nebenwirkungen! Nachfolgend erwischte es den nächsten gesetzten Spieler des Teilnehmerfeldes, denn der Artut-Bezwinger und im wahrsten Sinne des Wortes schwer beherzte Jason Lovett (wer sich fragt, wovon ich rede, dieses Foto der PDC zeigt, was ich meine) machte in einer persönlichen Sternstunde Benito van de Pas den Gar aus, während Jyhan im stets gut besuchten Raucherbereich geduldig Autogramme schrieb und unzähligen Fotowünschen nachkam. Tja, so spielt das Leben manchmal.

Der eigens im majestätischen mobilen Eigenheim angereiste Mervin King konnte sich im weiteren Verlauf des Programms glanzlos, aber erwartungsgemäß gegen Daryl Gurney durchsetzen, bevor die deutschen Fans ihren Held der vergangenen Nacht zurück auf der Bühne begrüßen durften. Ausdauernd unterstützte das Publikum einen Max Hopp, welcher fast schon verzweifelt und peinlich berührt in dieser seiner Zweitrundenpartie annähernd gar nichts aufs Board brachte, und vom seinerseits stark aufspielenden Kim Huybrechts einen ganz gepflegten und vor heimischer Kulisse umso bittereren White-Wash erntete. Alles ging derart schnell, Mülheim hatte nicht Mal die Gelegenheit, den Belgier auszubuhen. Dieser statuierte dann im Interview, er hätte die unschöne Geschichte mit Barney am Freitag mitbekommen und wünschte sich manchmal, auch aus Deutschland zu kommen, weil die Fans unvergleichlich toll hinter ihren Spielern stünden. Frei übersetzt bedeutet dies meiner Ansicht nach in etwa so viel wie „Danke, dass ihr mich verschont und nicht ausgepfiffen habt“. Kevin Painter European Darts Trophy MülheimFürwahr, das Samstagspublikum erwies sich als exorbitant fair, und so wurde The Hurricane angemessen gefeiert – Ehre, wem Ehre gebührt. Nun bleibt noch zu hoffen, dass das diesjährige PDC European Darts Championship im Neuaustragungsort Hasselt den gewünschten Effekt erzielt, und die Belgier, wie so viele andere Nationen vor ihnen, endlich auch vollumfänglich mit dem Darts-Virus infiziert werden.

Ein Match stand nun noch auf dem Programm, bevor es in die Pause gehen sollte, und dieses endete zumindest noch einmal mit einer kleinen Überraschung: Der allseits beliebte und lautstark besungene Vincent van der Voort unterlag Kevin Painter (hier geht’s zum kleinen Walk-On-Video der beiden), weswegen es nun alleine an Michael van Gerwen hing, die niederländische Überlegenheit wenigstens im Darts, wenn schon nicht im Fußball, zu demonstrieren. Alles in allem endete damit eine feine Session ohne technische Komplikationen, bei der vor allem The Bull nachhaltigen Glanz verströmte.

 

Samstag Evening Session

European Darts Trophy Mülheim 2015 Samstag Evening Session ErgebnisseDen Abend verbrachten der A und die O im antiomnischen Hauptquartier – schließlich gestaltete sich dort die Suche nach einem kulinarischen Gaumenschmaus um ein Vielfaches kommoder als im verschlafenen Mülheim. Neben dem Genuss diverser heimischer Annehmlichkeiten, war der spätere Tagesverlauf vor allem vom steten Aktualisieren der Live-Scores der European Darts Trophy bestimmt, denn uns saß eine ganz konkrete, blanke Angst im Nacken: Sollten wir nach der kurzfristigen Absage von Gary Anderson wirklich derlei immenses Pech haben, dass unser leidenschaftliches Begehr, den an fünf gesetzten Peter Wright live zu sehen an der Zweitrundenhürde namens Andy Jenkins scheitern sollte, Pessimisten, die wir ab und an zu sein pflegen? Dem barmherzigen Dart-Gott sei Dank, sollten sich unsere Bedenken nicht bewahrheiten, denn Snakebite gewann seine Partie mit 6:3 und sollte auch am nächsten Tag wieder auf der Bühne performen, wie nur er allein es zu tun vermag. Wir konnten uns also, zumindest bis zum Beginn der sonntäglichen Afternoon-Session, entspannen. Darüber hinaus setzen sich von Michael van Gerwen und Dave Chisnall, über Adrian Lewis sowie Ian White, bis hin zu James Wade alle Favoriten bei einem maximalen Leg-Verlust von vier durch. Ja, alle bis auf einen: Simon Whitlock kassierte eine stattliche 1:6 Niederlage gegen den österreichischen Youngster Rowby-John Rodriguez, der inzwischen immer für eine Überraschung dieser Form gut ist und dem A und der O, dank seiner aktuell starken Verfassung einerseits und den höchst wankelmütigen Leistungen des australischen Zauberers andererseits, einen allerersten Strich durch die „Diese-Spieler-wollen-wir-unbedingt-sehen“-Rechnung macht.

Turniertag 3: Sonntag

Viel zu schnell neigte sich das Wochenende schon wieder seinem Ende zu, denn der Finaltag war angebrochen. Die nach Mülheim gepilgerten Fans aus aller Herren (Bundes-)Länder sollten dieses große Ereignis gebührend mit einer ausverkauften RWE-Arena honorieren. Die Ticketpreise entsprachen exakt denen des Vortages: Das Tagesticket gab es für 29,00€ nebst Tribünensitzplatz bzw. 41,00€ für eine gesäßstrapaziöse Innenraum-Bierbank. Die Nachmittags-Session konnte man für 14,50€ beziehungsweise 21,50€ bestaunen, Teil des Finalabends wurde man für 19,50€ respektive 26,50€. Auch der Preis des Early-Access Tickets belief sich, wie gehabt, auf 48,50€.

Sonntag Afternoon Session

European Darts Trophy Mülheim 2015 Sonntag Afternoon Session ErgebnisseFür Anti und Omni bedeutete die Nachmittags-Session ein weiteres Mal Hoffen und Bangen, verbrachten sie doch den ersten Teil des Tages noch zu Hause. Die dritte Runde der European Darts Trophy konnte somit noch so allerlei Worst-Cases Realität werden lassen. ABER: Mal wieder erwiesen wir uns, in unserem ganz eigenen antiomnischen Kosmos als wahrhafte Glückskinder, denn alles lief vollkommen nach Plan. Mighty Mike, dessen größte Fans wir zwar nicht unbedingt zu sein pflegen, wir ihn als einen der absolut talentiertesten Player der Welt allerdings sehr gerne einmal in Action erleben wollten, stoppte Jason Lovetts herzhaften Siegeszug völlig humorlos mit einem jähen 6:1. Und Chizzy machte, im Rahmen der Gegebenheiten, ebenfalls kurzen Prozess mit seinem Gegner Justin Pipe. Unser Lieblings-Schotte musste sich gegen den Neudeutschen Huybrechts zwar quälen, ging aber am Ende ganz knapp als Sieger vom Board. Im Anschluss setzte sich unser liebgewonnener Bulle gegen Adi Lewis durch, was uns für Jenkins außerordentlich freute, und uns bezüglich des Jackpots nicht weiter tangierte, zählt der wildgewordene Knutscher doch nicht wirklich zu unseren Favoriten. Weiterhin würden wir am Abend Michael Smith, James Wade und Ian White (für diejenigen, denen der Name nichts sagt: das ist der mit der Stieftochter – aaaaahhh!) erstmals live beobachten dürfen. Supergeil!

Sonntag Evening Session

European Darts Trophy Mülheim 2015 Sonntag Evening Session ErgebnisseVollstes Haus, höchst nette Tischnachbarn, welche die antiomnischen Habseligkeiten und Sitzgelegenheit nach eigener Aussage, während kurzen Platzabstinenzen unsererseits, mit ihrem Leben verteidigten, Elmar, der Zigeuner, und ein kleiner Dreikäsehoch, der beim letztmaligen Walk-On-Üben sämtliche Register eines zukünftigen Entertainers zog, indem er Snakebites Entrance detailverliebt auf die Bretter brachte – die Spiele hätten besser nicht beginnen können.

Dave Chisnall European Darts Trophy 2015Mit ehrfürchtiger Miene wurden wir nun denn jungfräuliche Zeugen des Einzugs von Mighty Mike und waren bereit für seinen Kontrahenten Dave Chisnall sämtliche uns innewohnende Tanzregister zu ziehen, nur um enttäuscht festzustellen, dass an diesem Abend dessen gewohnte Einlauf-Musik einem schnöden „Hier kommt Alex“ aus den rauen Kehlen der Toten Hosen gewichten war. Gruselig, wenn auch nicht so sehr wie das nun folgende Match: Chizzy und seine Darts bildeten in diesem ersten Viertelfinale absolut keine Einheit, was eine absolut unvorhergesehene und enttäuschende Nullnummer für den Briten nach sich zog, während der Holländer sich nicht einmal wirklich anstrengen musste. Dann war es so weit: Frisurenwunder Peter Wright betrat die tobende Halle. Dieser Typ ist der geborene Showman und die personifizierte Hochleistungsstimmung, und das, ohne jegliches aggressives oder anderweitig unsympathisches Gebaren an den Tag zu legen. Und seinen Gegner Terry Jenkins muss man ohnehin lieb haben, man kann gar nicht anders. Das definitiv sympathischste Duo des Abends sollte jedoch in dieser Partie nicht gleichzeitig das dynamischste sein. The Bull schien vergessen zu haben, wie glänzend er noch am Vortag aufgelegt gewesen war, und auch Snakebite spielte für seine Verhältnisse allenfalls durchschnittlich, bis sich die beiden schließlich mit einem zähen 6:5 trennten, an dessen Ende der kunterbunte Schotte das Quäntchen mehr Glück hatte. Im Anschluss stürzte der Bully Boy recht erhaben den englischen König, allerdings ließ sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar erahnen, was der Titelverteidiger im weiteren Verlauf des Turniers zu leisten im Stande sein würde. Ian White European Darts Trophy 2015Als vierter und letzter konnte sich dann besagter Stiefvater einer hübschen Brünetten (sie ward in Mülheim zur Enttäuschung vieler nicht gesehen, zumindest konnte ich sie nirgends entdecken) für das Halbfinale qualifizieren: Der häufig als unscheinbar wahrgenommene, dennoch wahnsinnig sympathische und talentierte Ian White schaltete die Maschine, Kommunikations-Minimalist James Wade, aus. Auch die letzte Begegnung reihte sich nahtlos an ihre Vorgänger an, weswegen sämtliche Viertelfinals zwar das Prädikat „gut“ verdienen, keines der Matches jedoch nachhaltig in die Geschichtsbücher eingehen wird. Es konnte nur und sollte auch besser werden. Immerhin hatten Raucher, Klogänger, Bierholer und jegliches andere etappenweise gelangweilte Publikumsmitglied die Möglichkeit, ein mehr oder minder schickes Foto mit Russ Bray zu schießen – der nämlich gab sich in seiner Pause ganz Fan-nah und drückte freundschaftlich jeden für einen überlebensnotwendigen Selfie, der darum bat.

Peter Wright European Darts Trophy MülheimDas, zumindest aus der gegnerischen Perspektive betrachtet, wirklich Schlimme an Michael van Gerwen ist ja, dass er selbst an einem (an seinen eigenen Ansprüchen an sich selbst gemessen) mittelprächtigen Tag noch immer so verdammt gut spielt, dass man sich als Kontrahent keine Fehler erlauben darf. Genau das bekam leider auch Peter Wright im ersten Halbfinale zu spüren. Mighty Mike war gut drauf, aber nicht unantastbar, doch Snakebite seinerseits war nicht in der Lage, sein bestes Niveau zu präsentieren und vor allem mit seinen gefürchteten High-Finishes aus dem Nichts zu brillieren. Und so mussten selbst die eingefleischtesten Schottland-Anhänger, wie wir es sind, am Ende vollends neidlos anerkennen, dass Wright sich mit 2:6 verdient aus dem Tournament verabschiedete, besonders weil van Gerwen in der Kürze der Zeit immer besser ins Match fand und schließlich doch noch demonstrierte, warum er die Nummer 1 der Weltrangliste ist. Im Prinzip war bereits an dieser Stelle allen Anwesenden vollkommen klar, wer den Pokal in gut einer Stunde mit nach Hause werden würde. Es galt quasi nur noch, das Finalopfer zu ermitteln. Michael Smith stellte sich freiwillig zur Verfügung, und Ian White leistete keine allzu voluminöse Gegenwehr – der Bully Boy ließ durchaus den Ehrgeiz durchblicken, sich nicht kampflos geschlagen zu geben und stattdessen seinen Titel aus dem vergangenen Jahr zu verteidigen.

Michael van Gerwen European Darts Trophy Mülheim 2015Was sich dann beim großen Showdown der European Darts Trophy 2015 auf der Bühne ereignete, hätten, besonders im Hinblick auf die gesamte Saison und auch den Turnierverlauf in Mülheim, sicherlich die wenigsten in dieser Form erwartet, zuletzt vermutlich Mighty Mike himself: Smith hatte nach vier gespielten Legs einen Average von 111,33, van Gerwen gar von 112,82. Der Spielstand allerdings vermochte weniger Ausgeglichenheit widerzuspiegeln als die Statistik, denn der Bully Boy hatte mit einer satten Führung von 4:0 Punkten bereits mehr als eine Fingerspitze an Pott und Preisgeld. Egal wie bejubelnswürdig annähernd jede Aktion des Niederländers auch sein mochte, der Brite hatte eine noch bessere Antwort parat. Kaum hatte man sich nach dem vorbildlichen und lärmreichen Hissen der 180 wieder vorschriftsmäßig auf den Hosenboden gesetzt, galt es bereits dem Gegner die gleiche Anerkennung zu zollen, die Halle tobte. Hatte van Gerwen zu Beginn der Partie noch ein klares Anhängerplus, merkten die Zuschauer schnell, dass hier gerade ganz großes Darts geboten wurde, und entsprechend wurden beide Profis ekstatisch mit lautstarker Euphorie bedacht, Smith sogar tendenziell noch ein wenig mehr – ihm gelang plötzlich auch einfach alles. Selbst dann, als van Gerwen doch noch zwei Legs für sich entscheiden konnte, brachte der Titelverteidiger das Match besonnen und überlegen – wenn man auf der außergewöhnlichen Ebene, auf der sich die beiden Kontrahenten für die Dauer dieses absolut packenden Finales bewegen, überhaupt von Überlegenheit sprechen kann – zu Ende. Respekt und Gratulation, vor allem jedoch Dank für einen so packenden Turnierabschluss. Schade zwar, dass es im Verlaufe des Wochenendes nicht ein paar mehr derart lichter Momente gegeben hat, doch hat das Event auch so gezeigt, warum wir alle Darts so sehr lieben und warum es eben doch ganz großer Sport ist.

Fazit

Summa summarum erwies sich die European Darts Trophy 2015 als ein rundum gelungenes Event, welches sich trotz kleinerer technischer Pannen und anfangs geringer Zuschauerzahlen hervorragend dazu geeignet hat, unsere Affinität zum so wunderbaren Dartssport weiter zu schüren und das Kribbeln in den Fingern, welches man spürt, wenn man selbst als Spieler so gerne merkliche Fortschritte machen möchte, nur noch offenbarer werden zu lassen. Böse Zungen würden vielleicht behaupten, dass in Mülheim mitunter nicht das allergrößte Tennis gezeigt wurde. Wer jedoch selbst hier und da mit einer gewissen Ernsthaftigkeit seine Pfeile gen Board wirft, (bei dieser Gelegenheit möchte ich eines anmerken: Unter vielen (semi-)professionellen Dartspielern gilt es als verpönt und ein Zeichen von abstinentem Fachwissen bezüglich der Materie, vom „Pfeile werfen“ zu sprechen. Ich tue es dennoch, weil ich a) der Meinung bin, dass der Name des Kindes nichts über seine Qualität aussagt, b) ich in einem Text Wortwiederholungen ganz schrecklich finde und entsprechend bestrebt bin, mich vielfältig auszudrücken und c) Pfeile werfen supergeil ist. Punkt.) wird wissen, dass man auch einen 80er-Schnitt erst einmal erreichen muss und dies eine nicht verachtenswerte Investition von Zeit, Geld, Schweiß und Nerven bedeutet, wessenthalben, bei allen spitzen Bemerkungen, jeder einzelne Spieler (ja, auch der Schleifstein!) unseren größten Respekt verdient.

Respekt – ein Stichwort, welches mich noch einmal an das Match von Max Hopp und Barney zurückdenken lässt, weswegen es mir quasi eine Herzensangelegenheit ist, die geschilderte Situation noch einmal kurz aufzugreifen. Darts ist zunehmend eine gesellschaftsfähige Veranstaltung, sprich das Zuschauerinteresse, und damit auch das der Medien (und vice versa), wächst stetig. Nicht nur Initiatoren wie die PDC oder Sponsoren und Ausstatter wie Unicorn haben Interesse daran, dass ihr Sport auch als solcher wahrgenommen wird (verständlicherweise bei den Mengen an Geld die im Business Darts mittlerweile fließen), sondern auch Fans, Hobbyspieler und Mitglieder der kleineren Ligen möchten, dass sie in ihrer Dartsaffinität mit all ihren Facetten ernstgenommen werden. „Darts ist kein Wirtshaussport“ heißt mittlerweile sogar ein eigenes (sehr engagiertes und mit Liebe zur Materie entstehendes) Internetportal. Aber wenn ein vielfach ausgezeichneter und höflicher Profi wie Raymond van Barneveld während jeder einzelnen seiner Trilogien am Board ausgepfiffen wird wie ein Hochverräter, nur weil er es wagt, in Deutschland gegen einen Lokalmatadoren anzutreten, dann hat das sehr viel mehr mit Kneipenunterhaltung zu fortgeschrittener und alkoholschwangerer Stunde als mit Sport und damit verbundenem Fair Play zu tun. Ich möchte mich hier keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger und spaßbremsigerweise gegen feuchtfröhliches Beisammensein, ausgelassene Feierlaune, das Anfeuern der eigenen Leute oder die generelle lautstarke Publikumsäußerung, gleich welcher Art, bei einer solchen Veranstaltung aussprechen. Mitnichten, schließlich lebt der Sport von seinem ganz speziellen Auditorium. Aber ich missbillige Aktionen, die die Spieler ganz speziell und gezielt in ihrer Konzentrationsphase stören und damit den Wettbewerb verzerren. „Da muss der Betroffene drüberstehen“ werden einige sagen, aber diese Meinung vertrete ich nicht. Die mehr freundschaftlichen als wirklich feindseligen Sticheleien zwischen Nationen wie den Niederlanden und Deutschland oder beispielsweise auch England und Schottland sind vollkommen gebräuchlich, mitunter sogar willkommener Stimmungsaufheller. Diese allgemeinen Anfeindungen, beispielsweise in Form erwähnter, die Fußball-EM-Qualifikationsergebnisse reflektierende, Sprechchöre, dieweilen eines Walk-Ons etwa, ja, die sollte man also Spieler des eigenen Wohlbefindens wegen tatsächlich abkönnen. Aber eben während der so wichtigen Würfe, da sollte doch wirklich jeder der Bühnenakteure seine Ruhe haben. Es war die erste Veranstaltung dieser Art, die wir besucht haben, weswegen ich nicht weiß, ob es andernorts auch mitunter schon einmal so extrem zugeht – doch selbst wenn dem so wäre, würde ich es nicht gutheißen, egal welche Nation welchen Spieler aus vollster Kehle ausbuht. Nennt mich beim Vertreten dieser Meinung spießig, denn sollte dem so sein, bin ich es in dieser Angelegenheit leidenschaftlich gerne. Mit großer Freude zitiere ich an dieser Stelle den tatsächlich vielsagenden Titel eines Pur-Songs: „Achtung und Respekt!“ Dies zu verdienen, sollte man meiner Ansicht nach auch als Zuschauer bestrebt sein. Und wenn ein solch positives Trachten, wie etwa in dieser einen Situation hier in Mülheim, darf auch gerne der Caller ein Machtwort sprechen, denn dies wäre mehr als angebracht gewesen. Amen.

Doch sieht man von dem Fauxpas am Freitagabend ab, haben wir tatsächlich nichts zu mäkeln, denn: Sich ex­em­p­li cau­sa über die Preispolitik die Vor-Ort-Verpflegung betreffend aufzuregen, ist müßig und im Endeffekt unnötig, ist es doch inzwischen tatsächlich bei jeder Veranstaltung so, dass man sich darüber im Klaren sein muss, dass es mit dem bloßen Kauf der Eintrittskarte finanziell definitiv nicht getan ist. Und by the way, die Ticketkosten würde ich als durchaus angemessen bezeichnen, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass der Preis für eine ganze Session Darts inklusive Topstars in etwa so viel kostet wie das Ansehen eines 90minütigen 3D-Filmes im Kino. Welche der beiden Unternehmungsalternativen von mir da den Vorzug bekommt, steht völlig außer Frage, denn Mülheim hat noch einmal seinen ganz eigenen, nicht kleinen, Teil dazu beigetragen, dass die Infektion mit dem grassierenden Darts-Virus akuter denn je ist und wir uns bereits jetzt auf das nächste Event dieser Art freuen, welches wir hoffentlich in nicht allzu großer Ferne besuchen können – vielleicht dann sogar in Belgien oder den Niederlanden, und irgendwann ganz bestimmt auch im Ally Pally, jawohl.

Wo auch immer, wann auch immer, eines ist gewiss: Darts ist – genau wie das ganze Drumherum – supergeil!

In diesem Sinne:

[hupso]



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