Phönix aus der Asche [Vorsicht, Baustelle]

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Es war einmal…

eine kluge, jedoch schrecklich einsame Prinzessin mit großen, traurigen Augen. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Monat um Monat, Jahr für Jahr beobachtete sie, wie um sie herum selbst die madigste Maid von einem mehr oder minder stattlichen Burschen, nebst standesgemäßen Ackergaul, heimgesucht und zwecks langfristiger Familiengründung entführt wurde. Mit jedem dahinziehenden Augenblick, fragte sich die betrübte Seele, was mit ihr nicht stimmte und weshalb sie dazu verdammt zu sein schien, ihr Dasein alleine, ohne zutiefst herbeigesehnten Weggefährten, zu fristen. Sie war nicht sonderlich hübsch, das hatte man ihr Zeit ihres Lebens und besonders während ihrer innigst verhassten Schulzeit mehrfach zu spüren gegeben. Auch konnte sie in ihrem Hobby-Portfolio keine sonderlich attraktiven Aktivitäten aufweisen, welche potentiellen Interessenten ein bewunderndes Staunen zu entlocken imstande waren. Ebenfalls ein entscheidendes Detail schien der Prinzessin die Tatsache zu sein, dass sie sich nur äußerst ungern in ihr nicht vertrauter Umgebung, womöglich dann auch noch mit ihr nicht vertrauten Menschen (eine solche Situation darf ohne den Anflug eines schlechten Gewissens als DER absolute Super GAU bezeichnet werden) aufhielt. Fürwahr, ein Teufelskreis wie aus dem Bilderbuche. Die Prinzessin wusste das, wie sie auch allerlei anderen Firlefanz wusste, denn sie war ja ein kluges Mädchen – im Übrigen das einzige gute Haar, welches an sich zu lassen sie sich jemals selbst gestattete. Während eine ganze Weile die Hoffnung darauf, dass ihr Warten am Ende mit wunderbarer Zweisamkeit gemeinsam mit einem ihr vollumfänglich zugeneigten Edelmann belohnt werden würde, der Prinzessin die nötige Luft zum Atmen einhauchte, begannen irgendwann furchteinflößend boshafte Zweifel ihr einziges Lebenselixier zu vernebeln. Die so tapfere, mutige Hoffnung stürzte sich für unsere Prinzessin in jede sich ihr aufzwingende Schlacht und wehrte sich nach Kräften gegen das leise schleichende, sich jedoch nach und nach stärker aufbäumende Unheil. Die Hoffnung tat was sie nur zu tun vermochte, erwies ihrer Prinzessin schier unmenschliche Dienste. Und doch starb sie. Nach langem, unerbittlichem Kampf. Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie stirbt…

Nachdem die einsame Prinzessin ihren treuesten und geduldigsten, vor allem aber auch letzten, Begleiter verloren hatte, schien der traurigen Träumerin ihr Schicksal klar vorgezeichnet zu sein: Sie würde allein bleiben. Für den Rest ihres Lebens. Ein Gegenstück zu ihr gab es nicht. Nicht auf dieser Welt, nicht in der Realität. Im Märchen eventuell, aber wer glaubt schon an solch törichtes Narrenwerk? Unsere Prinzessin jedenfalls nicht. Und so fristete sie, vom Zeitpunkt des tragischen Todes ihrer Zuversicht an, ihr Dasein in größtmöglicher Abgeschiedenheit von der verderbten Menschenwelt. Überaus selten nur verließ sie außerhalb der gesellschaftlich nötigen Verpflichtungen ihr kleines Königreich und verbrachte stattdessen ihre freie Zeit mit Büchern, seriellem Mummenschanz und dem virtuellen Kampf gegen Zwerge, Gnome und allerlei bösartige Kreaturen. Lediglich exorbitant besondere Anlässe vermochten es zu erreichen, dass unsere fragile kleine Seele freiwillig ihren einigermaßen sicheren Hafen, zumindest für kurze Verweildauer, hinter sich zurückließ. Vor einigen Jahren dann trug es sich zu, dass ein solches Ereignis seine Schatten vorauswarf: Eine grobschlächtige Horde, von der Prinzessin hoch geschätzter, Wikinger, kündete ihr musikalisches Aufspiel nahe der hoheitlichen Kemenate an. Wider ihre schüchterne Natur brach die Prinzessin also auf, um erfüllt von Wonne den Todesmelodien der Nordmänner zu lauschen. Und dann passierte das vollkommen Unerwartete, wie ein Wunder aus heiterstem Himmel: Die Hoffnungslose traf auf einen leibhaftigen Prinzen – und, wie sollte es anders sein, erkannte ihn nicht. Doch der holde Antiheld ließ nichts unversucht, unsere Prinzessin nach dieser bleiernen Ballnacht aufzuspüren, was ihm schließlich Dank des großen zeitgenössischen Zauberers Google auch gelang (ähnliches ward übrigens einer entfernten Verwandten unserer Protagonistin lange vor dieser Geschichte hier widerfahren, vielleicht hat der eine oder andere von Euch schon einmal von besagtem Aschenputtel gehört?). Der Prinz gab sich nach und nach zu erkennen und offenbarte zum großen Verzücken seiner augenblicklich Angebeteten eine innige Leidenschaft für den artgerechten Umgang mit der deutschen Sprache, ähnlich der Hingabe, welche auch unsere Prinzessin gegenüber dem geschriebenen Wort hegte.

Und so fanden die beiden schließlich zusammen, und es ward gerade so, als seien sie seit Anbeginn der Zeit schon füreinander bestimmt gewesen – derart jedenfalls empfand es unsere nun ganz und gar nicht mehr traurige Maid. In der folgenden Zeit wuchsen die beiden Königskinder zu einer scheinbar untrennbaren Einheit zusammen – es glich der perfektionierten Synthese. Fortan schritten die beiden längst verloren geglaubten Seelen gemeinsam voran, richteten sich ein wunderschönes Schlösschen nach ihren höchsteigenen Wünschen her, fanden gemeinsame Passionen und teilten alles was sie hatten – selbst das virtuelle Papier, auf dem Ihr diese Geschichte gerade verfolgt teilte unsere nunmehr wieder aus tiefstem Herzen Hoffnungsvolle mit ihrem Retter ohne Rüstung. Aus „ich“ wurde „wir“. Harmonisch. Unantastbar. Perfekt. Und so lebten die Prinzessen und ihr Prinz in Glückseligkeit vereint bis ans ferne Ende ihrer Tage. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute… Am Arsch…

Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen…

… ist’s finster. Märchen. Kokolores. Bis auf Einhörner. Die gibt es wirklich. Ich insistiere! Doch wie dem auch sei – Trennungen sind in jedweder Hinsicht ein großer Haufen Bullshit. Da darf man ruhig mal die Etikette über Bord werfen, und sich ohne den leisesten Anflug von Reue vollends ungeniert am breiten Fäkalsprachen-Repertoire des deutschen Wortschatzes erfreuen (wofür „Bullshit“ natürlich ein absolut repräsentatives Beispiel ist). Im Endeffekt ist es egal, ob zwei Menschen sich einvernehmlich dazu entschließen, fortan getrennter Wege weiterzugehen, oder ob, wie in meinem Falle, für den einen Teil des ehemaligen Dreamteams in vielerlei Hinsicht eine Welt zusammenbricht – Trennungen sind zunächst einmal furchtbar beschissen. Punkt.

Die Erkenntnis, sich in einem Menschen getäuscht zu haben, verursacht tiefe Wunden, welche wiederum schlechtestenfalls äußerst unschöne Narben auf einer nie vollends gesund gewesenen Seele hinterlassen. Dein Umfeld bemüht sich nach Kräften um dein Wohlergehen, alle wollen dir beistehen (und gerne auch möglichst viele unschöne Details erfahren, die es Mal um Mal unverblümt zu schildern gilt), doch nichts und niemand vermag deinen Schmerz zu lindern. Keines der beiden typischen sich bildenden Helferlager findet die richtigen Worte für dich und deine Seelenqualen, in denen du dich suhlen musst, nein, sogar suhlen willst. Die Optimisten versuchen es mit gutem Zureden und Phrasen wie „Das wird schon wieder, ganz sicher!“ oder „Du findest auch noch den Richtigen, du bist doch schließlich im besten Alter!“. Nein, niemals – antwortet dein Freund, der Trotz. Die Pessimisten hingegen ermuntern dich mit Floskeln wie dem immer wieder gern gehörten „Ich habe Dir von Anfang an gesagt, dass die Sache einen Haken haben muss!“ oder dem nicht minder deprimierenden „ICH wusste sofort, dass mit dem was nicht stimmt, aber du wolltest ja nicht auf mich hören!“. Super hilfreich, definitiv. Jeder hat’s gewusst, nur ich war blind – da fühle ich mich doch gleich schon vieeeeel besser und wertvoller. Nein. In solchen Situationen gibt es selten die richtigen Worte und genauso selten die Patentlösung dafür, mit dem eigenen Schmerz umzugehen. Denn dieser ist persönlich. Individuell. Es bedarf eigener Strategien um das Erlebte für sich selbst auf bestem Wege zu verstehen und zu verarbeiten.

Meine fragwürdige Therapie war die vollkommene körperliche Verausgabung (nein, kein Sport, Gott bewahre), hervorgerufen durch das zwanghafte Bedürfnis jeden Abend unterwegs (= Dart spielen) und bloß nicht zu Hause zu sein, was über mehrere Wochen und Monate ein tägliches Schlafpensum von maximal drei Stunden zur Folge hatte. Irgendwann hatte ich also nicht mehr bloß schimmligen Honig im Kopf, nein, ich hatte auch noch Schmerzen von Kopf bis Fuß. Zwar waren nun Körper und Geist wieder im harmonischen Einklang, weil gemeinschaftlich am Ende aller Kräfte – so richtig gut ging es mir aber noch nicht, besonders in Hinblick darauf, dass ich vermehrt an allen möglichen (und unmöglichen) Orten ohne Vorwarnung vor Erschöpfung eingeschlafen bin (seltsamerweise gehörten Schlafprobleme nicht zu den zahlreichen Begleiterscheinungen der Trennung). So konnte es unmöglich weitergehen. Ich erweiterte mein bis dato sehr einseitiges Therapiespektrum um die Musik. Diese hatte ich, aus mir absolut schleierhaften Gründen, in jüngerer Vergangenheit sträflich vernachlässigt, obschon es sich dabei doch eigentlich um eine meiner absolut großen Leidenschaften handelt. Und es half. Die Musik hat mich adäquat durch jedes einzelne Stadium der Trauer geführt (Dabei erweist sich übrigens während der mitunter recht befreienden Wut- und Trotzphase die Kombination aus vollends unmetallischen Nachbarn und der eigenen, beachtlichen Deathmetal-Sammlung als außerordentlich vielversprechend und dynamisch für das zukünftige Zusammenleben. Und: Schöne Grüße an Unleashed. Neverending Hate. Repeat One. Stundenlang. DAS ist hilfreich! ). Und vor allem hat sie mich zur Ruhe kommen lassen. Plötzlich war es wieder ok einfach nur mal auf dem Sofa zu sitzen und nichts zu tun, außer sich beschallen zu lassen. Körper und Geist reagierten mit unendlicher Dankbarkeit und es offenbarte sich schließlich, dass in all den verhassten Floskeln am Ende doch ein bisschen Wahrheit steckt, denn auch der schlimmste Schmerz lässt irgendwann nach, selbst wenn das ich mein Paradies doch nicht gefunden habe, obwohl ich es so sicher glaubte…

Willkommen auf dem Bau, willkommen in meinem Leben

Omni Phoenix SeptemberWarum ich Euch das alles erzähle, wo doch sicher die meisten von uns solche Situationen bereits zu genüge selbst durchlebt und nicht weniger Leute ähnlich Erlebtes zu digitalem Papiere gebracht haben? Nun, zum einen erklärt es, warum hier sehr lange absolut nichts passiert ist. Zum anderen stellte sich mir als Folge der Trennung zwar glücklicherweise nicht die unangenehme Frage „Wie sagen wir es den Kindern?“, aber: Was passiert nun mit meinem Baby, dieser Seite hier? Soll ich den Antihelden und sämtliche Inhalte, die sich auf ein „Wir“ beziehen, welches es nie wieder geben wird, einfach löschen als hätte es uns nie gegeben? Lange Zeit hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie die Antwort ausfallen würde. Doch mit der peu à peu zurückkehrenden inneren Ruhe (und daraus resultierendem neuerlichem Tatendrang) meinerseits, stellt sich auch diesbezüglich Klarheit ein: Ich werde einiges verändern müssen und freue mich darauf. Bilder (nun werde ich mein eigener Grafikdesigner sein müssen). Kategorienamen. Erklärungen. Kleinigkeiten. Aber ich werde keine Texte löschen, die zu einer Zeit entstanden, als wir noch wir waren, werde die Vergangenheit nicht löschen, obschon sie heute von allerlei traurigen Wahrheiten überschattet wird. Damals (und es ist der beste Beweis dafür, dass Nichtwissen manchmal ein großer Segen ist), als sie meine Realität war, fühlte sie sich wunderbar an. Belassen wir es dabei. Nun geht es festen Blickes nach vorne. Ich habe wieder richtig Bock darauf, zu schreiben, denn es geht mir besser. Es tut nicht mehr weh. Theatralisch wie ich nun einmal bin, habe ich für meinen Neuanfang das Bild des Phoenix gewählt, denn es kommt dem geistigen Stadium, in welchem ich mich gerade befinde, sehr nahe. Es wird einige Zeit brauchen, bis an diesem digitalen Ort alles in seine rechte Bahn gelenkt ist, aber es wird passieren. Ich freue mich. Und ich hoffe ein paar von Euch auch. In diesem Sinne…

 

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