LIVE: VREID & CARACH ANGREN & MISTUR – Fire Walk With Me Tour @Helvete, Oberhausen – 14.09.2012

Pünktlich zum Start der „Fire Walk With Me“-Europatour von VREID lässt das Wetter an diesem Freitagabend keinen Zweifel mehr daran, dass der Sommer anno 2012 endgültig vorbei ist. Die Straßen in Oberhausen wirken wie ausgestorben, nur vor dem Helvete tummelt sich eine Handvoll Menschen – doch nicht etwa, weil sie im zunehmend strömenden Regen fröhlich ihren Namen tanzen möchten, sondern aus einem viel simpleren Grund: Der Einlass ins frohlockende, da mutmaßlich trockene, örtliche Metal-Mekka verzögert sich ein wenig. Und tatsächlich, drinnen ist es sehr viel gemütlicher als vor der Tür, und so lässt sich die Zeit bis zum Auftritt der Opener MISTUR in ansprechendem Ambiente mit bereits zu diesem Zeitpunkt ordentlichen Besucherzahlen überbrücken. Theoretisch verschiebt sich nach den Einlass-Schwierigkeiten das komplette Programm um 20 Minuten nach hinten, wie auch die aktualisierte Running Order verkündet.

Praktisch jedoch ertönen bereits um Punkt 20 Uhr die ersten Klänge der norwegischen Schwarzmetaller, für die das Konzert gleich in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes sein dürfte. Zum einen stellt der Eröffnungsgig von jeher ein spezielles Ereignis dar, und zum anderen ist dies für MISTUR die erste Tour überhaupt. Letzteres merkt man den Musikanten um Vreid-Gitarrist Stian Bakketeig in keiner Sekunde an, und so ist es wenig verwunderlich, dass die Norweger bereits mit dem instrumentalen Opener ‚Mistur‘ die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuschauer genießen. Als beim folgenden ‚Armod‘ schließlich auch Fronter Oliver fauchenderweise einsteigt, stellen die Helvete-Besucher ihre musikalische Expertise außerordentlich textkundig unter Beweis. Manchmal ist es gar nicht so verkehrt, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, und MISTUR deswegen unter den Vreid- sowie, besonders auch, Windir-Anhängern eine dankbare Fanbase gefunden haben, welche nach dieser Tour noch um einiges größer sein dürfte. Die Norweger nämlich verkaufen sich in der stimmungsvoll dunklen Bühnenbeleuchtung ganz prächtig. Während MISTUR sich mit ihrer knüppelharten, wenn auch atmosphärischen, Performance empfehlen, glänzt das Helvete mit einwandfreiem Sound. So bleibt bis dahin der einzige Kritikpunkt die leider sehr kurze, 30-minütige Spielzeit des Openers. Wenn man schon 20 Minuten zu früh anfängt, kann man wenigstens auch 20 Minuten länger spielen – ganz sicher hätte keiner der Anwesenden etwas dagegen gehabt.Weiterlesen

Dass nun im Anschluss mit CARACH ANGREN genau genommen nur die Ersatzband für die kurzfristig verhinderten Einherjer die Bühne betritt, ist ob der fast schon ekstatischen Reaktionen großer Teile der anwesenden Schwarz-Fraktion kaum zu glauben. Sicher, einige Viking-Fans dürfte die Absage im Vorfeld enttäuscht haben, im Helvete jedoch ist davon an diesem Abend nichts zu spüren. Die charismatischen Niederländer ziehen mit ihrer ganz speziellen Aura noch während des Intros alle Ohren und Augen auf sich, und spätestens mit den ersten Klängen von ‚Lingering In An Imprint Haunting‘ sind alle Gedanken an, wie hießen sie doch gleich, Einherwer oder so ähnlich, ad acta gelegt. Das niederländische Trio, angereist ohne seine gewohnte Live-Unterstützung Valak an den Saiten und wider jegliche Klischees auch ohne Wohnwagen, füllt die kleine Bühne im Helvete mit unwiderstehlicher Präsenz, und das dunkle, rote Licht, ein Alptraum für jeden Fotografen, tut sein Übriges für die unheilvolle Düsternis on Stage.

Dass es bei den ersten Songs Probleme mit Seregors Gitarre gibt und der arme Techniker wie ein aufgescheuchtes Huhn im 30-Sekunden-Takt wieder auf die Bühne klettern muss, fällt bei dem stimmigen Auftritt wenig ins Gewicht, zumal es auch bei CARACH ANGREN am Gesamtsound nichts auszusetzen gibt – das Helvete rockt an diesem Freitag einfach und ergreifend. Für ‚Haunting Echoes From The Seventeenth Century‘ legt Seregor dann die bis dato etwas widerspenstige Gitarre ab und greift zur Krone. Keine Frage, wer heute der König der Welt ist – die Niederländer beherrschen während ihrer knappen Dreiviertelstunde Spielzeit das Publikum mühelos und bieten einen ausgewogenen Querschnitt durch ihre bisher drei Symphonic Black-Kleinode. Zum Abschluss gibt es mit ‚The Ghost Of Raynham‘ sogar noch die volle Breitseite vom 2005er-Demo. Musizieren können sie ohne Frage, die Holländer, wer braucht da schon Fußball? CARACH ANGREN empfehlen sich an diesem Abend definitiv für noch größere Glanztaten in naheliegender Zukunft. Darüber hinaus erweisen sie sich, als sei ein gelungener Auftritt nicht schon des Guten genug, fernab der Bühne als sehr gesellige Zeitgenossen, wie der eine oder andere Besucher des üppig bestückten Merchandise-Stands bestätigen wird. Fraglich bleibt nur, ob sich jemand hat hinreißen können, die dort offerierte, selbstgeklöppelte Maske Seregors aus einem Video der Band für eine nicht ganz schmale Mark zu erstehen. Lustig wär’s jedenfalls.

Um 22:20 Uhr, folglich nach neuem Plan pünktlich, betritt mit VREID der Headliner die Bühne und begeht mit ‚Helvete‘ vom Debütalbum „Kraft“ außerordentlich passend und soundtechnisch ohne Grund für einen erhobenen Zeigefinger den Abend. Das norwegische Quartett ist sowohl sichtlich als auch hörbar motiviert und genießt den Auftakt der Tour in vollen Zügen. Dass Gitarrist Strom an diesem Abend bereits einen Auftritt gemeinsam mit seinem Bruder Espen und den übrigen Jungs von Mistur auf dem Buckel hat, merkt man ihm nicht an. Mit frischem Hemd und voll konzentriert gehen er und seine Kollegen ans Werk, als ginge es um ihr Leben, auch wenn die helvetische Bühne aus logistischen Gründen keine großen Sprünge zulässt. Wie schon die beiden Bands zuvor, werden auch VREID frenetisch abgefeiert, einen klaren Publikumsliebling gibt es an diesem Abend nicht. Vielmehr belohnen die anwesenden Fans jeden Musiker mit gebührender Begeisterung und Fachkenntnis, weswegen auch die Songs der Mannen um Sänger Sture lautstark mitgegrölt werden. Wie schon ihre niederländischen Vorgänger sehen auch die Black’n’Roller aus Norwegen die Tour nicht als Werbeveranstaltung zum aktuellen Album, in diesem Fall das 2011er „V“, und so bieten VREID eine Stunde lang einen Querschnitt durch ihr komplettes Schaffen, bei welchem jeder Longplayer mit zwei Songs auf der Bühne bedacht wird. Als besonderes Schmankerl gibt es, wie bereits im Vorab-Tour-Interview von Bassist Jarle angekündigt, mit ‚The Devil‘s Hand‘ einen brandneuen, bisher unveröffentlichten, Track zu bestaunen, von dessen Welturaufführung die Helvete-Besucher an diesem Abend exklusive Zeugen werden. Dass der kultige Club in Oberhausen mit rund 150 Gästen theoretisch nur die Hälfte seiner Kapazität ausfüllt, mag man ob der durchweg guten Stimmung und auch der zunehmend warmen Temperaturen kaum glauben. Eine Handvoll motivierter Fans ist ohnehin besser als eine volle Dröhnung Schlaftabletten.  Mit ‚Pitch Black‘ beschließt das sympathische Quartett nach einer guten Stunde gepflegtem Krach einen mehr als gelungenen, schwarzen Abend, auch wenn aus Zeitgründen die geforderte Zugabe, wie schon bei MISTUR und CARACH ANGREN, leider ausfallen muss. Man kann eben nicht alles haben.

Apropos… Wenn man sich die zahlreichen Besucher mit Windir-Shirts ansieht, wäre es fast schon eine Überlegung seitens der Band wert, doch mal einen der alten Songs aus leider längst vergangenen Tagen auszukramen. Ein wohl doch zu kühner Wunsch zugegebenermaßen, aber träumen muss erlaubt sein… Notfalls könnte man immer noch Mistur fragen, welche musikalisch ja in ähnliche Richtung marschieren. Wie auch immer, Windir war gestern, heute „Fire Walk With Me“-Tourauftakt. Und wie!

Setlist Mistur:

Mistur
Armod
Skuld
Slaget
The Sight

Setlist Carach Angren:

Intro
Lingering In An Imprint Haunting
Haunting Echoes From The Seventeenth Century
Spectral Infantry Battalions
Bitte Tötet Mich
The Sighting Is A Portent Of Doom
The Carriage Wheel Murder
Bloodstains On The Captain’s Log
General Nightmare
The Ghost Of Raynham
Outro

Setlist Vreid:

Helvete
Raped By Light
Welcome To The Asylum
Milorg
Eldast utan å gro
Væpna Lengsel
Blucher
Wolverine Bastards
The Devil’s Hand
Millom hav og fjell
Pitch Black

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