LIVE: X-Rockfest 2013 Herford

X-Rockfest 2013 Herford Header

Zum ersten Mal überhaupt lädt das X-Rockfest 2013 nach Herford zum Abfeiern der härteren Gangart ein – und das gleich mit einer Reihe richtig großer Namen auf dem Programm. Dank der Confirms von Bands wie Slayer und Bullet For My Valentine sollte die Großveranstaltung nicht nur das einzige Metal-Festival Ostwestfalens, sondern gleichzeitig auch ein Treffen der Generationen werden – und das nicht ausschließlich auf der Bühne…

Dem Festival-willigen Metalhead wird während der Sommersaison ja so einiges geboten und nur den Wenigsten gelingt es, all jene Events mitzunehmen, die zu Anfang des Jahres auf die imaginäre Wishlist notiert werden – zu wenige Wochenenden und oftmals auch fehlendes Kleingeld. Als Fan muss man also weise wählen, weswegen man sich besonders als neuer Veranstalter den Argusaugen und kritischen Mienen seiner Besucher ausgesetzt sieht. Diesbezüglich stand immerhin schon im Vorfeld fest, dass in Sachen Billing beim X-Rockfest vieles richtig gemacht wurde – zumindest dann, wenn der potentielle Partizipant entweder Metalcore-Anhänger oder aber ein solch eingefleischter Slayer-Fan ist, dass ihm das „bisschen“ Core auf der musikalischen Tageskarte nichts anhaben kann.
Dass allerdings ein hochkarätiges Line-Up nicht ausreicht, um am Ende des Tages ein gutes Festival organisiert zu haben, dürfen an diesem Sonntagmorgen die nicht ganz so frühen schwarzgefiederten Vögel erstmals bei der Parkplatzsuche feststellen. Die wenigen ausgeschilderten, improvisierten Parkflächen sind bereits überfüllt, weswegen sich die Anwohner Herfords in jeder noch so winzigen Nebenstraße mit allerlei zwielichtigen Gestalten und deren Autos konfrontiert sehen und für viele Besucher zunächst einmal ein ordentlicher Fußmarsch auf dem Plan steht, bevor sie ihre volle Aufmerksamkeit aufs Wesentliche, das Bühnengeschehen des Rockfests, konzentrieren dürfen. Doch was soll’s, wer in Wacken bereits auf einem etwas weniger privilegierten Camping-Ground genächtigt hat, lacht ob eines so kleinen Spazierganges – alles völlig im grünen Bereich!Dez Fafara | Devil Driver | X-Rockfest Herford
Das erste wirkliche, kleinere Chaos wartet am Eingang des an diesem Tag zum Festivalgelände umfunktionierten Parkplatzes, denn nicht auf den ersten Blick ist ersichtlich, wer sich wo und weswegen anstellen muss und in welchem Dixi-Klo für wen der zuständige Sachbearbeiter sitzt. Am Ende gibt es dann aber erfreulicherweise doch noch für jeden ein formschönes Plastik-Armbändchen, während sich unersichtlich, wenngleich unüberhörbar, im Hintergrund die britischen Metalcorer While She Sleeps bereits vor einer stattlichen, wenn auch bis dato noch nicht euphorischen, überwiegend jugendlichen Menge die Seele aus dem Leib spielen. Auch während des darauf folgenden Auftritts der Amerikaner Whitechapel ist die Stimmung gut, doch definitiv ausbaufähig – offenbar ist es für eine Reihe an Zuschauern einfach noch zu früh auf einen Sonntagmorgen, und obendrein will ja auch das Festival-Terrain an sich erst noch erkundet werden.
Zugegeben, eine Gelände-Begehung ist im Falle des X-Rockfests an diesem Tage keine sonderlich große Sache. Aufdringlichste, unübersehbare Erkenntnis: Es steht ein riesengroßer Baum mitten auf dem Platz – wie unhöflich von diesem uralten, eingesessenen Geschöpf – über den hier und da ordentlich geschimpft wird. Doch die Gewiefteren unter den Zuschauern stellen schnell fest, dass man dieses offenkundige Problem mit ein paar Schritten nach links oder wahlweise auch nach rechts leicht aus der Sicht schaffen kann, um sich stattdessen einer viel erfreulicheren Erkenntnis zu widmen: Verdursten wird an diesem Tage niemand, denn „herrliches Herforder“ gibt es an ausreichend Ständen zu Genüge. Und auch um das Bier im Anschluss an seinen Konsum, bei Bedarf, wieder wegzubringen, haben die Damen und Herren von der Eingangskasse noch genügend Dixis übrig gelassen. Diese sind taktisch klug so platziert, dass man während der präurinalen Wartezeit bequem die Bühne im Auge behalten kann. Joey Belladonna | Anthrax | X-Rockfest Herford
Eine praktische Angelegenheit, denn mit DevilDriver wird es an dieser Stelle nun auch on Stage erstmalig an diesem Tage richtig interessant. Die Amis um den charismatischen Fronter Dez Fafara rufen nun tatsächlich auch die ersten „älteren“ Semester (nicht persönlich nehmen, gemeint ist damit jeder über 25 und ganz besonders ich selbst) auf den Zuschauerplan, was der allgemeinen Stimmung deutlichen Auftrieb verleiht. Die Tatsache, dass ich eine der, meiner bescheidenen Meinung nach, sehenswertesten Bands des Tages, deren Auftritt mich im Vorfeld mit der größten erwartungsvollen Vorfreude erfüllt hat, fast verpasst hätte, obschon ich für meine Verhältnisse zu annähernd nachtschlafender Zeit den Weg aus dem Bett und auf die Autobahn gefunden habe, macht mir eines bewusst: Mein Geschmack und ich sind hier in Herford nicht unbedingt Zielgruppe Nummer Eins – Eine Erkenntnis, die sich auch mit dem nun folgenden Auftritt von Fear Factory manifestiert. Die werten Herren um Burton C. Bell hatten fürwahr schon bessere Plätze auf der Running Order inne und sind dementsprechend mehr Euphorie ob ihrer Personen gewohnt. Dennoch bieten die Amerikaner eine solide Show und werden von Jung und Alt in seliger Eintracht abgefeiert, während inzwischen auch zunehmend Crowdsurfer ihr Unwesen treiben. Statt Hauptgang oder unwiderstehlicher Nachtisch sind Fear Factory an diesem Tag beim X-Rockfest nur Appetizer. Ja, es ist Mittag(essen)szeit…Matt Heafy | Trivium | X-Rockfest Herford
Obschon im Anschluss mit den heimspielenden Caliban der Knoten im Publikum endgültig geplatzt zu sein scheint, kommt es einem vor, als ob nicht minder viele Leute zur gleichen Zeit versuchen, etwas Essbares aufzutreiben. Das gestaltet sich tatsächlich etwas schwieriger als Parkplatzsuche, Bändchenausgabe und Baumausweichen in Gänze, denn es gibt genau einen Würstchenstand. An dem kann man schon mal einen ganzen Bandauftritt verbringen, bis man schließlich seine, leider etwas dürftig große, Portion Pommes in Händen hält und auch beim geländeeigenen China-Restaurant geht‘s nicht wirklich schneller. Vegetarisches Chili hingegen ist den meisten offenbar zu untrue, weswegen dieses Fast Food als einzige Speise des Tages ihrem Namen wirklich alle Ehre macht. Schöne Grüße an dieser Stelle auch an das direkt nebenan gelegene McDonalds. Die haben vermutlich nächstes Jahr zur gleichen Zeit, rein zufällig und keinesfalls als Folge der heutigen Metaller-Invasion an Restaurant-Theke und hauseigenen Toiletten, geschlossen oder aber provisorisch angebaut und das Personal vervierfacht – man wird sehen. Über die Verzehrpreise übrigens soll an dieser Stelle gar nicht diskutiert werden, teuer ist es überall und wer namhafte Bands sehen will, darf nicht auf ein Bier für den schmalen Euro hoffen. Etwas mehr Pommes/Currywurst im nächsten Jahr wäre dennoch definitiv wünschenswert! Soviel dazu.
Wo das X-Rockfest rein musikalisch in diesem Jahr steht, unterstreicht im Anschluß an das dürftige Mittagessen die Tatsache, dass der frühe Nachmittag nun mit keinen geringeren als Anthrax eingeleitet wird. Da die Amerikaner bekanntermaßen zu den „Big Four“ gehören, würden sich die meisten Festivals freuen, die Herrschaften um den überaus quirligen Joey Belladonna als Headliner begrüßen zu dürfen. Dass sie in Herford zu einer relativ, nennen wir es mal vorsichtig, unwürdigen Zeit spielen müssen, scheint den ehrwürdigen Thrashern in keinster Weise übel aufzustoßen: Anthrax liefern ein lupenreines Brett ab, was auch den letzten Besucher hinter dem großen Baum hervorlocken kann, wenngleich das eine oder andere ältere Stück auf der Setlist dem i noch das Tüpfelchen aufgesetzt hätte. Dennoch, Metalcore- und Thrash-Fraktion sind sich ganz offensichtlich einig, dass hier gerade ganz großes Tennis gespielt wird. Vorbildlich, diese harmonische Mehrgenerationen-Koexistenz.Jesse Leach | Killswitch Engage | X-Rockfest Herford
Mit den nun folgenden Trivium durchlebt das abfeiernde Publikum wieder eine Verjüngung. Während sich der weniger geneigte Zuschauer fragt, warum auf der Bühne eigentlich kein Stroh, sondern Eisberge liegen, präsentiert das Quartett aus Florida eine im Vergleich zu Anthrax doch recht behäbige Show, die nichts desto trotz den einen oder anderen nicht gar so schlimmen Song beinhaltet – tut nicht weh und geht wieder vorbei.
Während also Matt Heafy und seine Kumpanen noch erfolgreich versucht haben, die Eisbrocken durch möglichst wenig Bewegung, allein durch pure Willenskraft, zu durchbrechen, geht bei Killswitch Engage endlich wieder ordentlich die sprichwörtliche Luzi auf der Bühne ab. Speziell Adam Dutkiewicz pfeffert mit unbändigem Elan von links nach rechts und wieder zurück, dass man gar nicht anders kann als sich von der musikalischen Darbietung positiv anstecken zu lassen. Da macht auch das Hinsehen ordentlich Spaß!
Schnell ward der Abend erreicht, eine Vielzahl an variabel schlimmen Regenschauern überwunden (die nächsten warten bereits in den Startlöchern), und die Zeit für den Headliner eines Großteils der Besucher gekommen: Bullet For My Valentine. Ein ums andere Mal, für das etwas weniger geneigte Core-Ohr nicht hundertprozentig nachvollziehbarerweise, rastet die Masse völlig aus. Kann man mögen, muss man aber nicht. Ich entscheide mich für die zweite Variante. Matt Tuck | Bullet For My Valentine | X-Rockfest Herford
Mit Slayer beschließt die zweite „Big Four“-Band den Abend, die lassen sich den Headliner-Posten offenbar wirklich nicht streitig machen. Da interessiert es auch niemanden, dass für die ersten, nicht gerade wenigen Zuschauer, nach BFMV das Festival bereits gelaufen ist – Weniger Leute, genauso gute Stimmung wie zuvor und ein würdiger Abschluss mit einer Band, die man einfach mal live gesehen haben sollte – und die man im Übrigen schon sehr viel schlechter erlebt haben kann als an diesem Sonntagabend in Herford. Die Erinnerung an ein weit zurückliegendes Wacken ruft zum letzten Mal heute die Erkenntnis vor Augen – ja, ich werde alt, aber nicht schlimm!
Fazit: Klar, es ist nicht alles Gold, was glänzt (am wenigstens wahrscheinlich Dez Fafaras Mikrofon) und sicher gibt es hier und da organisatorische Luft nach oben für das X-Rockfest in Herford. Für eine Jungfernfahrt war das Ganze allerdings wirklich eine runde Geschichte, die man ohne großes Zetern als gelungen bezeichnen darf.

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