Kolumne: Redaktionsgeflüster – Beim Metal Mirror bin ich meine eigene Randgruppe!

Soziale Randgruppen sind in jeder Gesellschaft eine ernstzunehmende Problematik. Da dieses Faktum den meisten Menschen jedoch ohnehin bekannt ist, möchte ich mich dem Thema heute mal mit einem Augenzwinkern nähern und einen kleinen Einblick in den alltäglichen Wahnsinn der Metal-Mirror-Redaktion gewähren.

Strenggenommen ist der gemeine Metalhead an sich Teil einer Randgruppe. Trotz stetem Bemühen in der Öffentlichkeit modisch sämtliche Nuancen der Farbe Schwarz zur Schau zu stellen, wird man in der breiten Masse schnell zum Paradiesvogel. Während man im öffentlichen Nahverkehr, im Hörsaal der Universität oder am Arbeitsplatz schnell Prädikate wie „langhaariger Bombenleger“ oder ähnlich schlecht recherchierte Stigmata einheimst, merkt man spätestens auf dem nächsten Konzert oder Festival, dass man eine verdammt große Randgruppe ist. Wenigstens ist im inneren Kreis die Welt in Ordnung und die Bande der Freundschaft funktionieren über sämtliche Genre-Grenzen hinaus…oder etwa nicht?

Diese Frage führt mich ohne Umschweife in unsere Mirror-Redaktion und zu einem erschütternden, da so unglaublich wahren Statement: Hier bin ich meine eigene Randgruppe. Während der ein oder andere Kollege ungestraft Orgasmus-ähnliche Anwandlungen ob der Neuanschaffung des x-ten Bootlegs der x²ten Hammerfall-Scheibe bekommt, Hair-Metal-Bands nur dann ohne Spott konsumiert werden dürfen, wenn sie Twisted Sister heißen und der Chef höchstpersönlich sie für gut befunden hat und jede noch so bratzige, von den Kollegen liebevoll Frontelse genannte, Gothic-Sängerin immerhin gut genug für so manch einen feuchten Traum ist, wird beispielsweise meine, ich finde übrigens absolut nachvollziehbare, Schwärmerei für einen gewissen Sänger namens Tobias Sammet bei jeder sich bietenden Gelegenheit belächelt. Ganz zu schweigen von Dorians sehr beliebter „Was bitte findest du an dem Typen heiß“-Frage im ICQ, die bisher noch auf jeden von mir geäußerten Namen folgte. Mobbing am Arbeitsplatz würde man so etwas in gesitteten Verhältnissen nennen!

Aber: Unsere Redaktion ist vieles, gesittet gehört meiner Ansicht nach jedoch nicht dazu. Und das ist auch gut so. Sicher, als Melodie-Fetischistin und Power-Metal-Beauftragte hat man es musikalisch im Kreuzfeuer nicht unbedingt leicht. So manch eine Empörungsemail verließ meinen Postausgang in Richtung des Kollegiums mit der Vermutung, die zur Bewertung stehenden Platten seien ein persönlicher Affront gegen mich. Während die übrigen Verantwortlichen damit beschäftigt sind, irgendeine Grindcore-Platte abzufeiern, brüte ich indes über der Findung des x-ten Synonyms für das Wort „Krach“, Monat für Monat. Im CD-Verteiler habe ich sogar schon mein eigenes Genre, denn alles was die anderen blöd finden, heißt Miri-Kram (was nüchtern betrachtet sogar eine viel einfachere Kategorisierung ist als Thrash-Black-Death-Grind-Metalcore oder ähnliche musikalische Ausgeburten). Doch lasse ich mich deshalb bekehren? Mitnichten! Wenn ich ehrlich bin, finde ich es unglaublich toll, meine eigene Randgruppe innerhalb der Redaktion zu sein. Denn wie so vieles, ist auch mein Standpunkt nur eine Frage der Perspektive – Und aus meinem Blickwinkel klingt mein Stigma ziemlich gefällig: Außerordentlich guter Musikgeschmack! So werde ich auch weiterhin genüsslich Napalm Death und Konsorten ihren Punkteschnitt im Kreuzfeuer versauen, vom Großteil der Redaktion als langweilig abgestempelten Power-Metal Bands mit Freuden zwei Doppelseiten im Magazin widmen und Dorian mit meinen berüchtigten Krach-Metal-Kommentaren den ein oder anderen O-Ton bescheren. Und die Hoffnung, dass ich mit meiner Liebe zu Melodie und Kitsch nicht ganz alleine darstehe gebe ich schon gar nicht auf! Es wäre doch auch tierisch langweilig, wären wir alle immer der gleichen Meinung, oder?

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