Interview: AGATHODAIMON – Darkness 1.0

Agathodaimon In Darkness 2013 Promo

Nicht nur das Leben im Allgemeinen, sondern auch speziell AGATHODAIMON-Platten sind wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man bekommt. Denn anstelle von Dingen wie Logik, Konventionen oder Erwartungen verlässt sich die Band schon immer primär auf eines: das eigene Bauchgefühl. Bandchef Martin „Sathonys“ Wickler sprach mit uns unter anderem darüber, warum sich ein ungutes Gefühl in der Magengegend dafür verantwortlich zeichnet, dass der Name der neuen Scheibe „In Darkness“ nicht bloß sprichwörtlich Programm ist.

Vier Jahre hat es gedauert, bis das „Phoenix“-Album aus dem Jahre 2009 endlich dieser Tage seinen Nachfolger gefunden hat – eine halbe Ewigkeit, so zumindest fühlt es sich für Gitarrist und Bandoberhaupt Martin Wickler an, der solch lange Release-Abstände eigentlich nur den ganz renommierten Bands wie Metallica einräumt. „Die wirklich großen können sich das natürlich leisten, bei Musikern unserer Größenordnung ist es jedoch völlig klar, dass du während einer solchen Wartezeit ganz massiv Leute verlierst. In der Zeit, die Agathodaimon brauchen, ein Album einzuspielen, lösen sich andere Bands auf und machen anschließend eine große Reunion-Tour“, sieht es Sathonys mit Humor, obschon er sich natürlich gewünscht hätte, die Veröffentlichung der neuen Platte wäre etwas zügiger vonstattengegangen.  Aber, um eine weitere Floskel zu bemühen: das Leben ist kein Wunschkonzert und, wie schon so oft, hat auch in den vergangenen Jahren das Besetzungskarussell bei den Mainzern wieder zugeschlagen. Felix (key) und Jan (git) gingen und mit Thilo Feucht kam, zur großen Freude der Band, ein Gitarrist, der sowohl im Studio als auch Live schon einige Male mit Agathodaimon zusammengearbeitet hat. „Als ich Thilo fragte, ob er den vakanten Posten an der Saiten übernehmen wolle, hatte ich keine große Hoffnung, dass er ja sagt, da er immer mit sehr vielen verschiedenen Projekten zu tun hat. Doch erfreulicherweise war er musikalisch solo und hat zugesagt. Die Chemie zwischen uns allen stimmt gerade zu 100%!“, stellt Martin, auch mit Blick auf die Zukunft gerichtet, optimistisch Fest.

Alles von Neuem

Der Hauptgrund, weswegen Fans fast eine halbe Dekade auf „In Darkness“ warten mussten ist jedoch ein anderer. „Wir haben nie gemacht, was man von uns erwartet hat, sondern immer das, wonach wir uns gefühlt haben, auch wenn wir dabei teilweise wider jede Logik agiert haben“, blickt Sathonys beispielhaft auf die Aufnahmen zu „Higher Art Of Rebellion“ zurück, für welche die Band eigens nach Rumänien reiste, um mit ihrem damaligen Sänger, dem die Ausreise aus dem Land verwehrt wurde,  zusammenarbeiten zu können. Auch beim aktuellen Release waren es schließlich Gefühle, die das Zünglein an der Waage bilden sollten. Über die Jahre waren Agathodaimon zusehends elektronischer geworden, „technisch immer virtuoser und verspielter, doch ohne die düstere Atmosphäre, die uns einst so wichtig war. Niemand wagte zunächst es auszusprechen, doch es war spürbar, dass etwas nicht in Ordnung war.“ Erwachsene Männer tun in einer solchen Situation das einzig Richtige: Ja, sie setzen sich zusammen und reden, auch wenn am Ende des Gespräches ein ernüchterndes Ergebnis wartet. „Wir haben uns offen gefragt, was los ist, ob wir uns mit dem, was wir machen, überhaupt noch wohl fühlen“, erinnert sich Martin. Die Antwort auf diese entscheidende Frage entpuppte sich als sehr viel einfacher als der Weg bis zu ihrer Findung: Nein. Die Arbeit am neuen Album war zu diesem Zeitpunkt in vollem Gange, vieles an Material bereits komponiert.  Doch das „Nein“ ward unüberwindbar. So begann die Arbeit an „In Darkness“ komplett von vorn und die Band wagte den, von vielen Fans lange erhofften, Schritt zurück zu den Wurzeln. „Wir wollten wieder mehr von der düsteren Stimmung haben und fühlen uns mit der Platte, wie sie nun heute klingt, unheimlich wohl. Das alte Material wurde jedoch nicht völlig ad acta gelegt. Ein großer Teil davon stammte aus der Feder unseres ehemaligen Gitarristen, der vieles davon in seine neue Band All Will Know hat einfließen lassen“, erklärt Sathonys den großen Schritt des kompositorischen Neubeginns, „vermutlich hätte „Darkness“ zu der ursprünglichen Ausrichtung der Musik nicht mal mehr im Ansatz gepasst, auch wenn der Titel schon lange vorher feststand.“

Haarsträubende Kritik

Agathodaimon sind nun mit sich im Reinen, fühlen sich gut. Ein Zustand, zu dem nicht zuletzt auch die Plattenfirma beiträgt. Der Vertrag mit Nuclear Blast ist ausgelaufen und bei Massacre sieht sich die Band bestens aufgehoben: „Wir hatten nie wirklich die Ambition unser Hobby zum Beruf zu machen. Zu sehr lieben wir die Freiheit, musikalisch das umzusetzen was wir möchten ohne den Blick auf mögliche finanzielle Folgen richten zu müssen“, so Martin, der selbst bei Nuclear Blast gearbeitet hat und deren Zielgruppe eher bei kommerziell ausgelegten Bands sieht. „Klar hätten wir am Anfang unserer Karriere die Möglichkeit gehabt, genau eine solche Formation zu werden, aber wir haben uns bewusst dagegen entschieden. Ich möchte nicht das Gefühl haben, dass Musik zum Bürojob wird, der zusehends mit einem „müssen“ statt mit einem „wollen“ verbunden ist. Natürlich ist auch bei unserem neuen Label alles klar strukturiert und Fristen müssen eingehalten werden, aber dennoch haben wir künstlerisch absolut freie Hand.“ Die Deadline für das erste, richtige „Massaker“, wie Sathonys es scherzhaft nennt, bei „Phoenix“ hatte das Label nur die Lizenz von NB erworben, hätten die Mainzer im Übrigen fast verschwitzt. Martin erklärt: „Es gab da einen kleinen Zahlendreher und auf einmal stellten wir fest, dass wir nicht im August, sondern bereits im Juni veröffentlichen. Da war Stress angesagt.“ Die, zumindest für Agathodaimon, überraschend kurze Vorbereitungszeit ist Grund dafür, dass die Promotionmaschinerie erst recht spät angelaufen ist und trotz fertigem Album gerade noch richtig viel Arbeit ansteht. Reviews gibt es noch nicht viele, die wenigen, die es gibt, sorgen bei Martin dann teilweise schon mal für ein ungläubiges Stirnrunzeln. „Klar, alles ist Geschmackssache und meistens haben die Schreiberlinge viel zu wenig Zeit und Zeichen, dafür aber viel zu viele Platten. Ich bin selber Freelancer für ein Magazin und kenne die Problematik. Dass aber so gar kein Konsens herrscht, macht mich dann teilweise doch etwas stutzig.  Beim einen ist das Album zu schnell, beim anderen zu langsam und ein dritter sucht dir schon mal alle Zielgruppen raus, für die deine Platte untauglich ist…“ Wenn es Martin und seinen Jungs um eines sicher nicht geht, dann Zielgruppen. Zu sehr verlassen sie sich beim Komponieren auf das, was für die Band selbst in dem Moment zählt. Mit dem Darkmetal-Stempel, den sie allgemeinhin seit einigen Jahren bekommen, können Agathodaimon dann allerdings doch ganz gut leben. „Mir ist klar, dass die Leute Kategorien brauchen, um etwas einordnen zu können. Die Schublade des Düstermetals ist ja sehr offen gehalten und im Prinzip kommt da alles rein, was nirgends sonst passt. Damit können wir gut leben. Für uns persönlich ist es schlicht Musik, die wir lieben“, schließt Martin ab.

Agathodaimon Official

erschienen in Metal Mirror Ausgabe 78

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