Interview: EDENBRIDGE – Die Vertonung des Schicksals

Edenbridge The Bonding 2013 Promo

Länger als geplant war es ruhig um die Österreicher EDENBRIDGE und besonders für die Band selbst fühlte sich die zurückliegende Zeit an wie eine kleine Ewigkeit – eine Ewigkeit, in der Musik zunächst in den Hintergrund trat, um dann schlussendlich Mittel für einen Befreiungsschlag zu werden. Sängerin Sabine und das kompositorische Mastermind Arne „Lanvall“ Stockhammer blicken gemeinsam mit uns zurück und in die Zukunft.

Mehr als drei Jahre liegen zwischen der aktuellen Edenbridge-Scheibe „The Bonding“ und dem 2010er Vorgängeralbum „Solitaire“. Während eine solche Zeitspanne auf den Musikkonsumenten und Fan noch überschaubar wirkt, war es für die österreichischen Epic-Metaller eine vor allem durch schwere Schicksalsschläge geprägte Phase, die nicht spurlos an den Musikern vorbeigegangen ist. „Unser normaler Zweieinhalb-Jahres-Rhythmus bezüglich der Releases macht in der heutigen Musikindustrie den meisten Sinn, denn du solltest als Band schon auf dem Schirm bleiben. Außerdem ist das die perfekte Spanne, um einen Output von A-Z zu realisieren. Aber diesmal war das einfach unmöglich. Es ist zu viel passiert und wenn du vor solchen Problemen stehst, dann rückt die Musik zwangsläufig erst einmal in den Hintergrund“, erklärt Hauptsongschreiber Arne, für den die zurückliegende Zeit besonders schmerzlich war. Der Selbstmord seines Vaters hat die Welt des Österreichers zum Wanken gebracht, an Arbeit an dem neuen Album war vorerst nicht zu denken. Die gesamte Band zeigte Verständnis, hatte doch darüber hinaus jeder sein eigenes Paket zu tragen: Trennungen, Umzüge, Jobumstellungen, Besetzungswechsel – niemand war wirklich bei der Sache und konnte 100% für die Band geben. Besonders Sängerin Sabine stürzten die Ereignisse um ihren Bandkollegen und Lebensgefährten in eine Blockade, die ihr gar die Stimme raubte. „Viele Aktivitäten, an denen ich sonst Spaß hatte, wie etwa Meditation oder generell Körperübungen, waren vorübergehend ad acta gelegt. Gesungen habe ich gar nicht mehr, obwohl ich mich weiterhin mit meiner Stimme befasst habe. So besuchte ich einen ganz tollen Gesangskurs, der mir viel gegeben hat, obwohl ich nicht eine einzige Note gesungen habe“, lässt die Edenbridge-Frontfrau die vergangene Zeit mit einem Hauch von Wehmut Revue passieren.

Musik heilt Wunden

In dieser schweren Zeit kam für Lanvall irgendwann die Einsicht, dass es weitergehen muss und vor allen Dingen auch kann, denn die Musik entpuppte sich mehr und mehr als Sprachrohr und heilendes Mittel, mit dem gegebenen Schicksal umzugehen. „Die Kompositionen standen damals zum größten Teil schon, doch in die Texte ist all das eingeflossen, was mich damals bewegt und beschäftigt hat. Das war ein immens wichtiger, wenn auch leider stellenweise sehr schmerzhafter, Prozess. Aber ich glaube, dass er dem Album letztlich die Qualität und die Tiefe verliehen hat, die nun zu hören ist.“ Obschon Arne sich sicher ist, dass die Ereignisse „The Bonding“ kompositorisch nicht beeinflusst haben, räumt er ein, dass die Message des Albums ohne die Fäden des Schicksals durchaus andere Akzente gesetzt hätte. Heute jedenfalls erzählt das achte Studiowerk der Österreicher von der einen, ultimativen Energie, aus der das Leben entsteht und in der es auch wieder endet, verkörpert und artikuliert von Sabine, welche besonders auch die Kraft und Bindung zwischen einer Mutter und ihrem Neugeborenen auf „The Bonding“ widergespiegelt sieht.

Gesprengte Ketten

Auf dem neuen Album klingt Sabine Stimme überzeugender und emotionaler denn ja, bis dahin war es allerdings ein langer Weg. „Als die Orchesteraufnahmen bereits in Gange waren kam ich langsam in Zugzwang, schließlich führte kein Weg daran vorbei, dass auch ich meinen Teil im Studio leisten musste. Das war zu Beginn meiner Aufnahmen alles andere als leicht, besonders bei den Texten, die sich mit dem Tod auseinandersetzen war das eine große emotionale Herausforderung. In diesen Situationen sah ich mich zusätzlich zu Arnes Vater auch noch an meine Großmutter erinnert, die an meinem Geburtstag verstarb. Letztlich aber, zwischen all der Arbeit und den aufkommenden Empfindungen, kam auch der Spaß am Singen wieder zurück“, beschreibt Sabine ehrlich die Gefühlsachterbahn, in der sie sich befand. Heute kann das Paar schon wieder lachen, wenn es an die Arbeit im Studio zurückdenkt. „Wir sind so froh, dass wir diesmal wieder in unserem eigenen Studio aufnehmen konnten und besonders zeitlich ungebunden waren“ sagt Sabine und Arne fügt lachend hinzu: „Ihre Magic Moments hat sie bevorzugt Nachts um halb Drei. Bei festen Studiozeiten wäre uns da sicher einiges verloren gegangen!“ So waren es zum Glück nur ein paar Stunden Schlaf, die dem bekennenden Morgenmenschen dank seiner nachtaktiven Liebsten abhanden gekommen sind.

Fan-Orchester

Magische Momente gab es nicht nur im Studio mit Sabine, auch einen anderen Traum konnten sich Edenbridge mit „The Bonding“ erfüllen. „Für mich war von Anfang an klar“, so Arne, „dass dieses Album wieder ein echtes Orchester braucht. Kurze Zeit später trat ein großer Fan auf uns zu, der das ganze ähnlich sah und uns finanzielle Unterstützung diesbezüglich zusicherte. So haben wir die Orchesteraufnahmen eingeleitet und sind danach, nachdem alles im Kasten war, auf unsere Fans mit der Bitte um Unterstützung zugetreten. Die Resonanz war fantastisch!“ schwärmen Arne und Sabine gleichermaßen. Fans aus der ganzen Welt, von Österreich bis Israel machten durch großzügiges Sponsoring möglich, dass das Album so symphonisch klingt, wie es sich die Musiker von Beginn an erhofft hatten.

Ein Wunsch jedoch hat bisher noch keine konkreten Formen angenommen, nämlich der nach einer Tour zum Album. „Es ist schwierig momentan für eine Band unserer Größenordnung“, erklärt Arne die bisher nur sehr vagen Konzertpläne der Band. „Wenn du Glück hast, dann kommst du bei einer Tournee am Ende plus/minus Null raus, und selbst dabei muss schon alles ideal laufen. An Werktagen ist es grundsätzlich schwierig in Clubs an genügend Publikum zu kommen und wenn du ohnehin nur am Wochenende sinnvoll spielen kannst, macht eine zusammenhängende Tour kaum Sinn.“ Leider, denn gerne würden Edenbridge auch auf den Bühnen dieser Welt das Album präsentieren, was ihnen so viel bedeutet. „Es fühlt sich schon ganz speziell an, endlich geschafft zu haben, was lange Zeit in den Sternen stand. Sowas berührt dich auch nach vielen Jahren im Musikgeschäft noch“, schaut das Paar gemeinsam auf das Geleistete zurück. „Wir sind erwachsener geworden über die Jahre, doch vor allem sind wir uns selber treu geblieben und haben uns allen Problemen in den Weg gestellt. Wir hören diese Entwicklung ganz deutlich auf „The Bonding“ und hoffen, dass es zumindest dem einen oder anderen Fan genauso geht!“  Und der Wachstumsprozess geht weiter, denn es sei an dieser Stelle schon eines verraten: Der nächste Album-Titel steht bereits, ein gut behütetes Geheimnis in Arnes Kopf. Edenbridge sind wieder da, motivierter denn je.

Edenbridge Official

erschienen in Metal Mirror #77

Kommentar verfassen