DreAmPhiTheaTerrific! – An Evening With…

Dream Theater, Along For The Ride Tour, Amphitheater Gelsenkirchen, 18.07.2014

Als, naja, sagen wir: Dream Theater-Fan der zweiten Stunde – es brauchte nämlich anno dazumal im Jahre 1994 bei der Erstkonfrontation eine ganze, lange Weile, bis ich den Zugang zum progressiven Wirken der Herren aus New York fand – erfüllte es mich schon doch auch ganz gewaltig mit Scham, einzugestehen, dass mein letzter Konzertbesuch ebendieser Truppe satte 16 Jahre zurücklag… mea culpa!

Umso vorfreudiger war ich und umso größer auch die Erwartungen und Hoffnungen meinerseits, auf dass dieses „16 Years After“-Erlebnis zu einem Einzigartigen und Magischen werden sollte.

Wir schreiben also nun den 18. im 7. des Jahres 2014 und ich begebe mich mit der charmantesten Begleitung ever (!!!) und Sonne im Rücken nach Gelsenkirchen… jene Stadt, deren bloßes Ausschreiben in diesen Zeilen einem BVB-Sympathisanten schon erhebliche Pein bereitet – vom physischen Nähern und letztendlichem Sich-hinein-begeben-Müssen einmal ganz zu schweigen. Aber heute schweigen eben auch die Fußballgeister, und einmal ist keinmal, also Schwamm drüber!

Die in den Nordsternpark eingebettete und gleich am Rhein-Herne-Kanal gelegene Kulisse weiß mir sofort zu gefallen, liegen Amphitheater und stilistisch ähnlich gehaltene Baulichkeiten durchweg positiv konnotiert in meinem Cortex. Zudem scheint mir dies eine würdige Bühne für die Progheroen zu sein.Dream Theater 2

Schade nur, dass sich das Gelände lediglich zu einem guten Drittel mit Geschmacksgenossinnen und -genossen füllt – etwa 2000 Seelen finden den Weg in das sattgrün umsäumte steinerne Rund.

Frauchen und meine Wenigkeit tummeln sich ohne jede Not zur Drängelei in die zweite Reihe vor die Bühne und beginnen schon mal fröhlich mit der Transpiration.

Als die Könige ihres Genres die Bühne betreten und die ersten Klänge der „False Awakening Suite“ darbieten, wird mir kurz bewusst, dass ich an diesem schwülen Sommerabend wohl ein Gros an Körperflüssigkeit, dies schwitzenderweise, verlieren werde, doch schiebe ich den Gedanken alsgleich mit einem bereits seligen Grinsen beiseite. Denn es stehen drei Stunden feinsten Progressive Metals bevor… weil sie es können! Worth every fuckin‘ drop!

Der Sound ist prall und knackig, auch wenn zu Beginn das markante Organ James LaBries noch etwas untergeht. Und selbst der von mir bis dahin sehr kritisch beäugte und immer noch gefühlte Neuzugang Mike Mangini kann mich ad hoc überzeugen, sei es auch zunächst lediglich durch extensive Gesichtsakrobatik, die immer wieder mal über die Videowall flimmert. Der Mann hat offensichtlich Freude an der Schlagwerkerei und scheint sich auch vom Typus her stimmig in das Traum Theater-Lineup einzufügen. Zudem ja auch ein Meister seines Fachs, als studierter Musiker und Professor a.D. am Berklee College of Music in Boston, zu deren Alumni sich sowohl seine Bandkollegen Petrucci, Myung als auch Vorgänger und mein persönlicher Trommelfellgott Mike Portnoy zählen dürfen.

Die Beobachtung der fünf Herren bei ihrem künstlerischen Schaffen lässt meine Augen auch kurz auf den massiven oberen Extremitäten des Mr. John Petrucci verweilen, der mit seinem verwegenen Henriquatre-Bart, dem langfädigen dunklen Haupthaar und 80er-Sonnenbrille daherkommt wie der Darsteller eines Südstaatenpornos mit viel zu wenig Gitarre für so viel Körper. Dazu gesellt sich, irgendwie assoziativ passend, der Eindruck, dass James LaBrie optisch der Sex-Machine aus „From Dusk Till Dawn“ doch beachtlich nahe kommt. Doch der Ausnahmevokalist schießt mitnichten aus dem Schritt… präzises Kehlen-Dauerfeuer reicht, um auch den geneigten Zuhörer auf dem hintersten Sitzplatz zu erlegen.

Tastenhexer Rudess klöppelt aus seinem Arsenal mit spielerischer Leichtigkeit das, was Continuum, rotierbares Keyboard und Zen Riffer an Tönen und Teppichen hergeben, während Kollege John Myung das Zen in sich zu tragen scheint – meditatives Bassen für Fortgeschrittene.

Und so zocken sich die New Yorker auf ihre ganz eigene, unaufgeregte Weise durch Teil 1 des Abends, dessen Hauptaugenmerk klarerweise auf dem aktuellen selbstbetitelten Album liegt und, mit Ausflügen durch die jüngere Diskografie der Truppe gespickt, das 1997er „Trial Of Tears“ mal ausgenommen, einen atmosphärisch stimmigen Einstieg in die Dämmerung bietet.

Auch wenn den Mannen bereits an vielen Stellen eine gewisse Bühnenkühlheit, hervorgerufen durch ein übertriebenes Maß an Perfektion, nachgesagt wurde, so vermitteln sie doch auch ohne emotionalen Überschwang, dass sie vollends mit Spaß bei der – denn das ist es ja nun für derart professionelle Musiker mit knapp 30 Jahren Bühnenerfahrung in Teilen nun mal auch – Arbeit sind. Und knappe 50 Euronen für drei satte Stunden Unterhaltung höchster Güte, mittelprächtige Vorbands bleiben einen in diesem Rahmen zudem erspart, sind nun auch nicht übertrieben.

Nach kurzer Verschnauf- und Trinkpause freue ich mich gar noch ein wenig mehr auf den zweiten Teil der Veranstaltung. Die musikalische Reise führt zurück in eben jenes Jahr 1994 und zum Album „Awake“, welches für mich persönlich den Anfang der bis heute anhaltenden Beziehung mit dieser besonderen Band darstellt und ich, so ich denn das verwendete Instrumentarium samt Stimme beherrschte, vom rauh groovenden „The Mirror“ bis zum melancholischen Glanzstück „Space-Dye Vest“ mitspielen könnte, ja… wenn ich denn eben könnte.

Den krönenden Abschluss dieser viele schöne Erinnerungen weckenden Zeitreise bildet das epische, mit gut 20 Minuten Spieldauer das fünftlängste Stück der Bandgeschichte, „Illumination Theory“ vom aktuellen Album.

Hätte ich auch an diesem Punkt der Veranstaltung schon glücklich und berauscht das Gelände in Richtung Heimstatt verlassen, so ist ein Dream Theater-Konzert doch kein Vollumfängliches ohne opulente Zugaben.

Und so kehren die Aushängeschilder der vertrackten und doch so eingängigen Klangvielfalt noch einmal zurück auf die Bühne, um ein halbstündiges Medley aus ihrem 1999er Konzept-Meisterwerk „Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory“ darzubieten.

Die Anzahl der an diesem Abend erlebten Gänsehäute vermag ich beileibe nicht mehr zu erinnern, doch tanzen die freudig aufgestellten Härchen auch noch auf der Heimreise im Fünfvierteltakt und das selige Lächeln ziert mein Gesicht noch für Stunden.

Danke Musik, Danke Dream Theater und, letzten Endes auch: Danke Gelsenkirchen!

Dream Theater 5

Setlist:

Teil 1:
False Awakening Suite
The Enemy Inside
The Shattered Fortress
On The Backs Of Angels
The Looking Glass
Trial Of Tears
Enigma Machine
Along For The Ride
Breaking All Illusions

Teil 2:
The Mirror
Lie
Lifting Shadows Off A Dream
Scarred
Space-Dye Vest
Illumination Theory

Zugaben:
Overture 1928
Strange Déjà Vù
The Dance Of Eternity
Finally Free

[hupso]

Kommentar verfassen